Der Komponist des Gassenhauers ist Jürgen Hermann. Der einstige Dirigent und Komponist des Rundfunk Tanzstreichorchesters feiert an diesem Wochenende seinen 90. Geburtstag. Selbstverständlich in Lehnitz, wo er seit über 20 Jahren zu Hause ist.
Hermann wurde am 16. Juli 1927 in Prenzlau (Uckermark) geboren. "Dass ich entweder Musiker oder Jockey werden würde, stand für mich schon fest, als ich noch ein kleiner Junge war. Musik und Pferde liebe ich gleichermaßen", sagte er 1963 in einem Interview des Rundfunk-Journals. Die Musik siegte, sein Leben verschrieb er der Komposition und dem Dirigat.
Noch als Jugendlicher erlebte Hermann den Krieg mit. Er kam in amerikanische Gefangenschaft. Bei den Amerikanern habe er erstmalig die Swing-Musik gehört, erzählt der Senior. Wieder in Freiheit schlug er sich mit verschiedenen Jobs durch. "Was war ich alles: Gärtner, Bauarbeiter, Kellner, natürlich auch Musiker", heißt es von ihm im Rundfunk-Journal. Zu dieser Zeit schrieb er auch erste Arrangements für kleinere Orchester und Blaskapellen.
Doch seine wirkliche Leidenschaft war die Tanzmusik. Nachdem er die Chance ergriff, das Abitur nachzuholen, studierte er ab 1949 am Berliner Stern´schen Konservatorium Komposition. Vier Jahre später erkannte Günther Klein, der ehemalige Chef des ostdeutschen Verlags Lied der Zeit, das Talent des jungen Prenzlauers und nahm ihn als musikalischen Arrangeur im Verlag unter Vertrag. 1956 suchte der Deutschlandsender dann einen Tanzmusikredakteur. Hermann bekam die Stelle und nach einem Jahr stieg er auf zum Arrangeur und Komponisten des Radiosenders. Im Jahr des Mauerbaus 1961 übernahm der studierte Musiker die Leitung des Rundfunk-Tanzstreichorchesters, die er bis zur Abwicklung des Orchesters 1991 inne hatte.
Nicht nur seine komponierten Tanzmelodien gingen um die Welt, auch Hermann bereiste den halben Globus. Sowjetunion und Vietnam auf der einen Seite des eisernen Vorhangs, Wien und Lissabon auf der anderen. Viele Menschen, die seinen Melodien auf Konzerten, bei Tanzbällen oder am heimischen Radiolautsprecher lauschten, erinnern sich an den Dirigenten ohne Taktstock. "Den brauchte ich nicht", sagt Hermann. Er habe stets mit zusammengekniffenen Daumen und Zeigefinger den Takt vorgezählt. Auch habe es in seinem Tanzstreichorchester nur eine Frau gegeben. "Die hat die Harfe gespielt", erzählt er von früher und zeigt auf die Bilder, auf denen das gesamte Orchester zu sehen ist. "Hier haben die Violinen gesessen, dort die Bratschen", mit dem einstigen Dirigenten-Zeigefinger fährt er über den alten Orchesterplan. "Und in der letzten Reihe standen die Rhythmus-Macher", fügt Hermann noch hinzu.
Den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens markiert die Verleihung des Kunstpreises der DDR an ihn im Jahr 1963. Die staatliche Auszeichnung bekamen Künstler, die als richtungsweisend für die Entwicklung der Kultur eingeschätzt wurden. Hermann setzte sich für den künstlerischen Nachwuchs ein, forderte 1968 in der Neuen Zeit: "Die Tanzmusikklassen der Hochschulen sollten sich stärker auf die Bedürfnisse der Praxis einstellen. Ich möchte in diesem Zusammenhang hervorheben, dass das Große Tanzstreichorchester gern bereit ist, mit den Hochschulen zusammenzuarbeiten." Tanzbare Musik zu spielen und auch zu komponieren, war seine Passion, der er sich verschrieben hatte.
Heute ist es ruhiger geworden um den Jubilar. In seinem Bungalow-Haus am Lehnitzsee genießt Hermann die Stille der Natur. So groß und üppig wie noch vor 40 Jahren feiert das Geburtstagskind nicht mehr. Zu seinem 50. Geburtstag hatten sich viele Weggefährten und Künstler auf seinem Grundstück ein paar Straßen weiter versammelt. Dort wohnte Hermann mit seiner Frau am Wochenende, unter der Woche lebte das Paar in Berlin. Die Freunde überreichten ihm ein Glücksschwein. Keines aus Plastik oder Holz, sondern ein echtes Tier. Was daraus geworden ist, daran kann sich Hermann, als er die alten Fotos durchblättert, nicht mehr erinnern.
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