„Poesie in engster Verbindung zur Musik“ war bestimmend für die Auswahl des Programms, das die Organisatoren für dieses 12. Siebenklang-Festival zusammengestellt haben. Bei dem fünfstündigen Konzert-Marathon am Sonnabend begegnen sich Liedermacher, die diesem Anspruch in jeglicher Hinsicht gerecht werden. Mit Max Prosa und Band sowie Alin Coen auf der einen sowie Heinz Rudolf Kunze und Norbert Leisegang mit dem Keimzeit Akustik Quintett auf der anderen Seite treffen zwei Künstlergenerationen aufeinander, die eines gemeinsam haben: In ihren Liedern teilen sie auf sehr poetische Weise ihre Sicht auf die Welt, die Menschen und auf sich selbst mit.
Max Prosa, Jahrgang 1989, ist die Entdeckung des Abends. „Ich wollte immer nur singen“, bekennt der sympathische Musiker. Er erzählt in seinen Liedern Geschichten „über den Gott der Einfachheit“ und über Paul aus Göttingen, Student im 20. Semester, der sich entschieden hat, „nicht fertig zu werden und damit mehr entschieden hat, als die, die fertig geworden sind“. In „Erinnerung“, nur von Gitarre und Mundharmonika begleitet, erzählt Prosa von Sinan, der vor drei Jahren als Flüchtling nach Deutschland kam. Es ist eine lange Geschichte, fast sprengt sie den Rahmen eines Liedes. Doch das tritt in den Hintergrund, als der junge Iraker die Bühne betritt und seine Erinnerungen mit seinem deutschen Freund gemeinsam zu Ende erzählt.
Alin Coen gilt seit 2010 als eine wichtige Stimme in der Singer-Songwriter-Landschaft. Sie verarbeitet emotionale Tiefe und persönliche Erfahrungen in ihren Liedern. Nach Lobetal ist die junge Musikerin mit deutsch-mexikanischen Wurzeln in Begleitung des Gitarristen Philipp Martin gekommen. Sie hätten in dieser Konstellation vor zehn Jahren das letzte Mal gespielt, erzählt Alin Coen. Das Duo hat im Laufe ihres 45-minütigen Parts kleine technische Probleme. Musikalisch lassen Titel wie „Andere Hände“ und „Beben“ aufhorchen.
Mit Heinz Rudolf Kunze betritt zu später Stunde ein gestandener Profi die Bühne. Vor 40 Jahren hatte der Barde seinen ersten öffentlichen Auftritt in einem Café in der Kantstraße in Berlin – mit drei zahlenden Gästen. Die Perser verstanden kein Wort von dem, was er sang. 36 Alben später, das jüngste – „Schöne Grüße vom Schicksal“ – ist gerade erschienen, besteht diese Gefahr längst nicht mehr. Kunze macht aus dem, was er denkt und fühlt, kein Hehl. Er beginnt mit „Es ist Krieg“, wird später Texte vortragen, die Politik und Politiker mit teils drastischen Worten aber deshalb nicht minder treffend analysieren. Aber da gibt es eben auch noch jenen Heinz Rudolf Kunze, der ungeheuer tolle Liebeslieder schreibt, „So wie Du bist“, beispielsweise. Und natürlich fehlen zum Abschluss auch nicht die Titel, die sein Publikum von ihm erwartet. „Dein ist mein ganzes Herz“ schmettern an die 2000 Zuhörer in der Lobetaler Waldkirche hingebungsvoll mit.
Das ist beim Keimzeit Akustik Quartett und seinem Dauerbrenner aus der Wendezeit „Kling Klang“ nicht anders. „Es geht hier quer durch die Jahrzehnte“, kündigt ein bestens aufgelegter Norbert Leisegang an, der sich zuvor bereits unter das Publikum gemischt hatte, um sich seine jungen Kollegen Prosa und Coen anzuhören. Er und seine Band ziehen musikalisch alle Register. Da ist „Albertine“, Titelsong der zweiten CD des Quintetts, benannt nach der weiblichen Hauptfigur aus Marcel Prousts Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Da kommt der Reggae „Münzen und Scheine“ oder das Lied „Erzähl mir“ aus dem Jahre 1998. Drei englischsprachige Titel aus zwei Filmen sind für „Keimzeit“ ungewöhnlich, zeigen aber letztlich das außergewöhnliche musikalische Vermögen der Band.
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