Im deutschlandweit ersten Strafprozess wegen eines getöteten Wolfes ist der Freispruch eines 73-jährigen Mannes aus den Niederlanden jetzt endgültig: Die Staatsanwaltschaft Potsdam nahm ihr Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam zurück, bestätigte eine Sprecherin. Dies geschah dies bereits Mitte April, nachdem die schriftliche Urteilsbegründung geprüft worden war, hieß es weiter. Der Mann hatte im Januar 2019 bei einer Jagd bei Rädigke einen Wolf erschossen. Er war in zwei Instanzen jeweils freigesprochen worden, zuletzt vom Landgericht Potsdam am 21. Februar 2023.
Jäger tötete nach eigener Aussage den Wolf, um Jagdhunde zu schützen
Der Ex-Unternehmer hatte vor vier Jahren an einer Drückjagd in Brandenburg teilgenommen. Wie er bei der Verhandlung im Februar vor Gericht sagte, habe er Attacken eines Wolfes auf mehrere Jagdhunde beobachtet. Um die Tiere zu schützen, habe er erst versucht, den Wolf mittels Gesten, Rufen und eines Warnschusses zu verscheuchen, ehe er anlegte und ihn tödlich traf.
Die Potsdamer Richter hielten den Schützen für unschuldig, weil dieser irrtümlich annahm, dass sein tödlicher Schuss gerechtfertigt wäre. Das ergibt sich aus der schriftlichen Begründung, die dieser Zeitung vorliegen.
Niederländer stützt seine Aussage auf Unwissenheit - die nicht strafbar ist
Dabei kam dem Mann zugute, dass er als Ausländer nicht informiert war über das lokale Wolfsaufkommen und eine Empfehlung eines deutschen Fachverbandes, die Hunde in der Paarungszeit der Wölfe von Januar bis März nicht frei laufen zu lassen. Er wurde auch bei Jagdbeginn nicht darauf hingewiesen.
Eine Pflicht, sich zu informieren, gebe es laut Gericht ebenfalls nicht. Außerdem unterließ der Schütze in der für ihn unerwarteten Situation auch eine differenzierte Abwägung zwischen den Rechtsgütern, den bis zu 10.000 Euro teuren Jagdhunden auf der einen und dem durch das Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Wolf auf der anderen Seite. Ob besser informierte Jäger mit umfangreicherer Kenntnis ähnlich hätten handeln dürfen, ließ das Gericht offen.
Rechtsanwalt wünscht mehr Klarheit für die Jagdpraxis
„Die Entscheidung ist so unfassbar auf den Einzelfall verengt, dass sie als Blaupause für die Zukunft nicht taugt“, sagte Rechtsanwalt Heiko Granzlin, der den Jäger in Potsdam verteidigt hatte. Er hatte sich mehr Klarheit für die Jagdpraxis gewünscht.
Granzlin verwies auf den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, der eine Wolfstötung wegen des Hundeschutzes als gerechtfertigt ansehe. Sein Mandant sei sich sicher gewesen, nichts Falsches getan zu haben. Jetzt sei er überfroh und sieht sich rehabilitiert.
In Einzelfällen werden aggressive Tiere geschossen
Wölfe wurden seit 2006 in Brandenburg wieder angesiedelt und nachgewiesen. Für das Wolfsjahr 2021/2022 hat das Landesamt für Umwelt 47 Rudel mit 160 Welpen erfasst.
Weil sie zuletzt immer wieder durch Ortschaften streunen sowie in Ställe eindringen und Nutztiere reißen, gab es zuletzt verstärkt Forderungen, Wölfe wieder bejagen zu dürfen. Einzelne, besonders aggressive Tiere werden bereits gezielt abgeschossen.