Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) dominierte alles in der Deutschen Demokratischen Republik. Damit es im Land demokratisch aussah, bedurfte es eines Mehrparteiensystems. Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), die National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD) halfen dabei, den demokratischen Schein zu wahren. Weil die Mitglieder dieser Blockparteien die Parolen der SED nachflöteten, wie es auf www.ddr-wissen.de heißt, wurden sie zur und nach der Wende verächtlich Blockflöten genannt.
Stanislaw Tillich, der von 2008 bis 2017 sächsischer Ministerpräsident war, wurde verspätet als Blockflöte bezeichnet. Der 1959 bei Kamenz (DDR-Bezirk Dresden) geborene Politiker war 1987 der CDU beigetreten. Im November 2008 machte er als "Blockflöte" medial die Runde. Auch auf www.moz.de findet sich dazu noch ein Beitrag. Titel: "Tillich wegen DDR-Funktion in der Kritik". Wie es in dem Beitrag steht, war seinerzeit eine Debatte über die Rolle der Ost-CDU in der DDR angefacht worden, "nachdem der CDU-Bundesvorstand in einem neuen Grundsatzpapier über die Perspektiven Ostdeutschlands die Linkspartei als SED-Erbin bezeichnet hatte und der SPD Unterstützung der totalitären Staatspartei vorgeworfen wurde." Eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit habe gefehlt in dem CDU-Papier.
Da kam Tillich den Kritisierten gerade recht. Denn er war ab Mai 1989 stellvertretender Vorsitzender des Rates des Kreises Kamenz für Handel und Versorgung gewesen. Just zu dieser Zeit war ein anderer CDU-Angehöriger, dem Vernehmen nach als Stadtrat für Örtliche Versorgungswirtschaft (ÖVW), in Rathenow tätig.
Ronald Seeger (62), seit 2002 Bürgermeister, ist schon seit 1979 ein Christdemokrat. Bis 1990 übte er seine Tätigkeit aus, ehe er sich für den höheren Verwaltungsdienst fortbildete. Auch er müsste, gemessen an dem was Tillich nachgeredet wurde, eine Blockflöte gewesen sein - in die Verwaltung gebracht durch die Volksvertretung der Stadt, der die Blockparteien angehörten.
Auch CDU, NDPD, LDPD und DBD unterlagen der staatlichen Doktrin. Etwa das DDR-Gesetz über die Wahlen zu den Volksvertretungen von 1976 spricht dazu Klartext: "Der IX. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands stellte die Aufgabe, in der Deutschen Demokratischen Republik weiterhin die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten und so grundlegende Voraussetzungen für den allmählichen Übergang zum Kommunismus zu schaffen. Dabei wächst die Verantwortung der Volksvertretungen als gewählte Machtorgane des sozialistischen Staates der Arbeiter und Bauern."
Wer wollte sich dem offen entgegen stellen. Erst im Spätherbst 1989 bröckelte der Demokratische Block. Auf Wikipedia steht: "Auf ihrem Sonderparteitag am 15./16. Dezember 1989 bekannte die DDR-CDU sich – entgegen ihren bisherigen langjährigen Bekenntnissen als `Partei des Sozialismus´ und Blockpartei und in Übereinstimmung mit der West-CDU – zur Marktwirtschaft und zur `Einheit der Nation´". Bis dahin hatte sich allerdings der Blockflöten-Begriff längst festgesetzt im Sprachgebrauch in der Nach-Wende-DDR.
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