Mit 22 Schuldirektor in Golzow
41 Jahre war Rudi Ramm im Schuldienst. Als er 1951 in seiner Heimatschule in Neukirchen/Erzgebirge als Lehrer eingesetzt wurde, rollte sein Vater mit den Augen. Er, ein Maschinenbau-Spezialist, hatte für seine sechs Söhne eine technische Ausbildung im Sinn. Doch Rudi Ramm wollte Lehrer werden. Noch als Lehramtsbewerber wurde er befragt, ob er auch in Notstandsgebieten der DDR-Volksbildung unterrichten würde. Gemeint war das Oderbruch. Rudi Ramm landete in Golzow und wurde dort mit 22 Jahren Schuldirektor. Sechs Jahre später erhielt er den Titel "Verdienter Lehrer des Volkes". "Schule als Lebensort, als Teil von Dorfgemeinschaft und natürlich als Teil und Träger sozialistischer Umgestaltung auf dem Lande war für ihn nie nur theoretische Erkenntnis und Maxime, sondern hauptsächlich Aufgabe für eigenes Handeln und sowohl Anspruch an hohe Aufmerksamkeit wie Empfindsamkeit für die Situation seiner Mitmenschen als auch Herausforderung an seine Überzeugungskraft, sie für diesen Prozess der Umgestaltung zu gewinnen", heißt es in einem Nachruf der Linken, unterzeichnet von OB René Wilke und Axel Henschke als ehemaliger Kreisvorsitzender. Und weiter: "Rudolf Ramm war weder Held noch Widerständler. Wie alle Menschen war er nicht frei von Irrtümern und Fehlleistungen. Für die Frankfurter Linke ist die Würdigung der Lebensleistung von Rudi zugleich Prüfstein für ihr eigenes Wirken im Spannungsfeld von Wollen und Können. Und sie fordert erneut von uns ein kritisch konstruktives Verhältnis zu unserer Parteigeschichte, vor allem aber zu unserer Haltung den Menschen gegenüber, die wir zu gewinnen und vertreten suchen. Welchen Anpassungsdrücken waren engagierte Menschen wie Rudi durch ihre eigene Partei ausgesetzt? Wie allein mag er sich manchmal in den Wende-Stürmen gefühlt haben, als die noch junge PDS weder die genügende Kraft noch die ausreichende Kompetenz hatte, ihm fachlich und politisch zur Seite zu stehen."
Der gebürtige Hohenstein-Ernstthaler begleitete als Pensionär junge Leute im Strafvollzug. Ramm war auch dort für die Jugendlichen stets ein zuverlässiger Gesprächspartner. Er setzte sich mit rechtsextremistischen Jugendlichen auseinander und wagte sich so an ein Thema, das viele Menschen scheuen. Er vermittelte den Jugendlichen, auf Gewalt zu verzichten. Und es gelang ihm, so viel Vertrauen zu schaffen, dass er auch Ausgänge mit Gefangenen durchführen konnte. Schönstes Lob bekam Rudi Ramm zu einem seiner Geburtstage von Stefan, einem ehemaligen Gefangenen: "Dass ich jetzt, nach meiner Haftzeit, straffrei leben kann, daran haben Sie, Herr Ramm, großen Anteil."
Am Donnerstag sind alle interessierten Menschen, die Rudolf Ramm ehren wollen, um 10 Uhr zu einer Gedenkveranstaltung in der Frankfurter Sportschule eingeladen.
Leserforum
Ihr Kommentar zum Thema