Sieben Künstler, sieben Ideen, sieben Kunstwerke, die unterschiedlicher nicht sein können. Und doch eint sie eines: Sie haben vier Wochen lang gemeinsam die Neuauflage des internationalen Hartgesteinsymposiums „Glaziale Brandenburg“ in Angermünde belebt, das die Arbeit mit uckermärkischen Findlingen prägt, und sie sind in dieser intensiven Zeit von fremden Einzelschaffenden zu einer Familie zusammengewachsen.

Harte Arbeit in Rekordzeit

In nur einem Monat haben die Bildhauer Jörg Steinert und Thomas Reifferscheid aus Deutschland, Piereluigi Portale und Antonino Grasso aus Italien sowie Karin van Ommerern, Ton Kalle und Chris Peterson aus den Niederlanden in Angermünde etwas Einzigartiges hinterlassen. Sie haben nicht nur in Rekordzeit und harter Schufterei beeindruckende Skulpturen geschaffen, für die die Künstler normalerweise drei bis sechs Monate bräuchten. Sie haben dabei auch den historischen Klosterplatz in ein begehbares offenes Atelier verwandelt und Kunst selbst für die Menschen zugänglich gemacht, die damit bisher wenig vertraut oder interessiert waren.
Wie schnell Berührungsängste oder gar Unverständnis echtem Interesse und großem Staunen weichen, konnten die Bildhauer in Angermünde jeden Tag spüren und darüber oft selber staunen. So viele interessierte Besucher aus der Stadt, dem Umland aber auch eigens angereiste Touristen, die den Bildhauern beim Arbeiten über die Schulter schauten, gab es noch bei keinem Symposium zuvor. Auch die Angermünder trugen damit zum Erfolg der Glaziale 2020 bei.

Symposium ist einzigartig in Nordeuropa

Das Angermünder Symposium ist in dieser Form einmalig in Nordeuropa. Seit 1992 gab es alle zwei Jahre ein internationales Hartgesteinsymposium, das der Altkünkendorfer Künstler Joachim Karbe initiierte und leitete. 2008 war Schluss. Bis es seinem Kollegen Jörg Steinert gelang, 2020 die Tradition mit seiner Handschrift unter dem Titel „Glaziale Brandenburg“ fortzuführen. Die Stadtverordneten hatte er schnell mit seinem Konzept und seiner Hartnäckigkeit überzeugt. Immerhin wurden für dieses Symposium 51 000 Euro aus der Stadtkasse bewilligt. Zusätzlich wurden Spenden der Sparkasse Uckermark, des Angermünder Freundeskreises und Mittel der Landkreises zur Verfügung gestellt.

Kunstaktion vor der Haustür

Trotz der vielen Jahren Pause ist die Identifikation vieler Angermünder mit dieser außergewöhnlichen Kunstaktion vor ihrer Haustür wieder zu spüren. „Ich glaubte, gar keine Ahnung von Kunst zu haben. Und dann ertappte ich mich dabei, dass ich immer neugieriger wurde und fasziniert Steinreste als Andenken sammelte“, gesteht der Angermünder John Mai. Er hatte den Künstlern täglich ein warmes Mittagessen spendiert. Jörg Steinert dankte der Stadt und vor allem den Einwohnern für die herzliche Gastfreundschaft. Immer wieder brachten Besucher Kuchen, Kaffee oder mal einen Kasten Bier vorbei. Sie wurden zur Pizza, zum Besuch der Tatragalerie Riesebeck, zur Wanderung durch den Grumsin und zur Gartenparty eingeladen. Da entstanden auch Freundschaften.
Mit Spannung wurde nun zum Finale ein Kunstwerk nach dem anderen enthüllt und von seinen Schöpfern vorgestellt. Selbst, wer regelmäßig die Arbeiten auf dem Klosterplatz verfolgt hatte, wurde nun überrascht. Poliert und aufgerichtet entfalten die Skulpturen in neuen Perspektiven ihre wahre Wirkung und Schönheit.

Skulpturen bleiben zwei Jahre in der Stadt

Die Italiener Piereluigi Portale und Antonino Grasso hatten aus mächtigen Findlingen filigrane, figürliche Skulpturen mit tiefer Aussagekraft geformt. Der Sizilianer Grasso gestaltete detailreich eine Mauer, die Menschen nicht trennt, sondern durch ein Tor verbindet. Die Skulptur des 25-jährigen Piereluigi zeigt ein Gesicht mit verbundenden Augen. „Wir sollten den Blick vom Außen wieder mehr nach innen richten und nachdenken, wie wir mit uns und unserer Welt umgehen.“ Thomas Reifferscheid hat aus einem riesigen Findling Ringe gehauen, die ineinander verschlungen scheinen, wie olympische Ringe, Eheringe, galaktische Bahnen. Ein Symbol der Verbindung.

Findlinge sind die Eier der Erde

Für Karin van Ommerern sind Findlinge „die Eier der Erde“. Sie lässt aus dem Stein eine Schlange als Symbol des Lebens schlüpfen. Chris Peterson widmet sein begehbares Kunstwerk den Kindern, die den Stein mit ihrer Unvoreingenommenheit in seinem Inneren erforschen und erobern können, was sie auch prompt taten. Jörg Steinert formte aus einem Granitkoloss einen markanten Kopf, „die Quintessenz des Menschen“. Hier entstehen Vorstellungskraft und Fantasie. Ton Kalle hat das monumentalste Werk aus mehreren zusammengesetzten Findlingen geschaffen und nennt es „Familie“. „Jeder Stein hat seinen Charakter und seinen Platz, aber nur zusammen geben sie einander Halt.“ Er möchte es gern auf dem Schäferberg am Wolletzsee platzieren.
Die Künstler gehen, die Kunstwerke bleiben. Zwei Jahre lang bleiben sie nun als Leihgabe in Angermünde. Dann gibt es vielleicht auch ein Wiedersehen bei der Glaziale Nr. 2.