Damit haben die Grünen eher nicht gerechnet: Vor der öffentlichen Diskussionsveranstaltung in der Uckermark mit Spitzenpolitikern aus Bund und Land mussten sie an einer Plakatkundgebung von Windkraftgegnern vorbei, um zum Tagungsort im Angermünder Hotel 1912 am Bahnhof zu gelangen. Mitglieder der bekanntermaßen rührigen Crussower Bürgerinitiative zeigten ihnen dabei ein überlanges Plakat uckermärkischer Landschaft, gespickt mit Windkraftanlagen.
"Bei dem Besuch der Grünen geht es ja um die Probleme des ländlichen Raums", erklärt Rainer Ebeling, Sprecher der Bürgerinitiative "Crussow lebenswert" und Kreistagsmitglied der Freien Wähler. "Gerade Angermünde hat ja als Erholungsort keinerlei rechtliche Handhabe, um die Windkraft einzudämmen." Und weil die Grünen bundesweit ja nicht auf die Bremse treten, sondern eher noch Gas geben würden, sei man hier. In der Uckermark gebe es aber keine Akzeptanz für die Windenergie, gemeindliches Einvernehmen werde von Genehmigungsbehörden einfach ersetzt und Aspekte eines Erholungsorts seien nicht relevant. "Abschaffung der Privilegierung", fordert Ebeling.
Doch Ursula Nonnemacher, Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen zur Landtagswahl in Brandenburg, sowie Britta Haßelmann, parlamentarische Geschäftsführerin in der Bundestagsfraktion, lassen keinen Zweifel: Konflikte mit der Windkraft seien vorhanden, man brauche sie aber. "Dass Sie sich umzingelt fühlen, finden wir nicht gut", so Ursula Nonnemacher. Daher halte man am Mindestabstand von 1000 Metern fest. Ein Moratorium sei der falsche Weg.
Aber Gegenwind kommt auch von Naturschützern. Unverkäufliche Häuser und ein Verlust an Artenvielfalt seien der Preis der Windkraft, so Beate Blahy aus Steinhöfel. "Wir schlagen Tiere tot für unsere egoistischen Ziele." Windräder seien eine Sackgasse, vielmehr müsse man dezentralisieren auf dem Weg der Solarenergie. Das wiederum trifft auch bei den Grünen auf Zustimmung. Sie vertreten Energieeinsparung, erneuerbare Energien und den Ausstieg aus Atomkraft und Kohle, bestätigt Britta Haßelmann.
Allerdings hat der ländliche Raum in Deutschland noch mehr Probleme als nur die Stromspargel. "Es geht um gleichwertiges Leben", so Robert Schindler, Sprecher der uckermärkischen Grünen. "Es geht um Internet, mobile Datenverbindungen, sichere Telefonkommunikation, um eine gesicherte Mindestversorgung, um Arbeit und Einkommen und auch um ein Leben frei von Diskriminierung und Hetze."
Die Diskussion im Hotel 1912 rankt sich weiter um Tierhaltung, Grundwasser, Lebensmittel, Böden und regionale Produkte. Auch um Bildung und die verloren gegangene Vernunft bei Verbrauchern im Umgang mit Produkten.
Was nehmen die Grünen-Politiker mit nach Berlin und Potsdam? "Es ist schön, dass man sich hier mit Menschen anderer Ansicht freundlich und zivilisiert unterhalten kann", so Ursula Nonnemacher. "Ich fühle mich bestärkt, über die Agrarwende zu diskutieren. Und Internet ist so wichtig wie Strom und Wasser", sagt Britta Haßelmann.