Der 1. September ist der Weltfriedenstag, genau 80 Jahre nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde am Sonntag speziell im östlichen Nachbarland an den Überfall auf Polen als Auftakt dieses Grauens mit am Ende etwa 60 Millionen Toten und ganzen Trümmerlandschaften erinnert. Zudem jährte sich gerade eine Woche zuvor zum 80. Mal die Unterzeichnung des sogenannten Hitler-Stalin-Pakts. Ein Vertragswerk, an dem der damalige NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop zuvor noch auf Schloss Sonnenburg bei Bad Freienwalde an letzten Details gefeilt hatte, wie bei der Ausstellungseröffnung im Schloss Altranft erinnert wurde.
Dort lädt nun bis zum 6. Oktober die Sonderausstellung "Berlin bei Wriezen – Auf den Spuren einer NS-Künstlerkolonie im Oderbruch" ein. Damit präsentiert Detlef Mallwitz vom "Institut für Geschichten" aus Ortwig seinen aktuellen Recherchestand rund um Albrecht Speer in Altranft, Arno Breker in Jäckelsbruch bei Wriezen und die damals geplanten riesigen Werkstätten, wo bis zu 10 000 Leute an zwei Standorten im Oderbruch an der Ausgestaltung der neuen NS-Hauptstadt "Germania" hätten arbeiten sollen. Breker wäre dafür im Auftrag Speers die Oberaufsicht zugefallen.
In der Ausstellung hängt unter anderem ein Zitat aus den Erinnerung von Carl-Adolf Eschenbach, Sohn des damaligen Altranfter Gutsbesitzers, wie Speer ab Ende 1941 mehrfach bei seinem Vater in Sachen eines Landerwerbs vorstellig wurde. "Carl Eschenbach war kein Nazi", ergänzte Mallwitz jetzt zum Auftakt mündlich, der Druck zum Verkauf sei spätestens mit Speers Ernennung zum Minister kurz darauf aber wohl so groß gewesen, dass er sich nicht gegen den Verkauf wehren konnte. Vielleicht sei gar mit Enteignung gedroht worden. Speer wiederum, "der sich von der Raffgier eines Göring und Goebbels absetzen wollte", habe den neuerworbenen Besitz in Altranft in seinen zwei Memoirenbänden unterschlagen. Unklar ist demnach auch noch, wann genau sich Speer entschied, selbst Schlossherr zu werden. Jedenfalls trieb er die Planungen für einen Herrensitz zügig voran, sogar die Gobelins waren schon fertig, woraufhin die Pläne für die Räumlichkeiten im Nachhinein noch einmal angepasst werden mussten, berichtete Mallwitz.
Für die künstlerischen Werkstätten im großen Stil seien offenbar zwei Standorte, einmal bei Wriezen und einmal bei Bad Freienwalde, vorgesehen gewesen – wo ganz genau, dazu ist er derzeit noch mit weiteren Recherchen beschäftigt, hat allerdings schon einige Anhaltspunkte, wo Eigentümer offenbar ähnlich wie Eschenbach in Altranft zum Verkauf von Land genötigt werden sollten.
"Von Breker bis Engelhardt – Kultür 1995" heißt ein damals noch für den Fernsehsender ORB stammender Beitrag, den Eberhard Görner zusammen mit Henry Köhler produziert hatte. Er wurde jetzt zum Ausstellungsauftakt noch einmal den Anwesenden gezeigt. Im Mittelpunkt der 30-minütigen Erkundung steht die Geschichte des Ateliers Jäckelsbruch bei Wriezen, das der damalige Bezirk Frankfurt (Oder) in den späten Siebzigern dem Bildhauer Horst Engelhardt, einem Freund Görners, überantwortet hatte. Der wusste natürlich um die ambivalente Vorgeschichte: 1940 war es Hitler höchstpersönlich, der seinem Lieblingsbildhauer Breker das Schloss Jäckelsbruch mit Park und Atelierbau geschenkt hatte. "Es ist ein kleines Damoklesschwert, das hier über den Dingen schwebt", sagt Engelhardt im Film über diese Vorgeschichte, die sich nicht negieren lasse.
"Europäisches Geschichtsfeld"
"Das hier war eine Kulturlandschaft mitten im Krieg", sagte Görner, der in der Verknüpfung von Walter Rathenau in Bad Freienwalde, Ribbentrop in Sonnenburg, Speer in Altranft und Breker in Jäckelsbruch von einem "hochspannenden europäischen Geschichtsfeld" in dieser Gegend sprach, das reichlich Stoff für weitere Forschungsarbeiten biete. Erinnert wurde daran, dass Breker, ungeachtet seiner Nähe zum NS-Regime mit den großen Staatsaufträgen einer der größten Künstler seiner Zeit, schon beim Hitler-Stalin-Pakt auch das Angebot aus der Sowjetunion bekam, in Moskau tätig zu werden, was er aber ausgeschlagen habe.
Von dort wiederum, persönlich von seinem Amtskollegen Molotow, kam übrigens das Holzhaus im russischen Stil, das für Ribbentrops Kinder in Sonnenburg aufgestellt wurde, ergänzte Görner. Ein Geschenk im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts, das auch dann noch stand, als sich Ribbentrop wie sein Chef in Berlin zum Schutz vor der herannahenden Roten Armee einen Bunker bauen ließ.