Der Kehlbiss und auch der Biss in die Nase ist typisch für den Wolf", sagt Christoph Naß, Leiter Forst-, Baum- und Kommunaldienst der Stadtverwaltung in Bad Freienwalde. Und braucht dafür keine Bestätigung durch einen Wolfsbeauftragten. "Dafür habe ich keine Veranlassung gesehen. Ich bin ja kein Schäfer, der Entschädigung bekommen würde."
Außerdem hatte das Reh, so Naß weiter, keine Bissverletzungen in anderen Körperbereichen. Ein Hund würde nie so präzise zubeißen, erläutert er. "Das wäre sehr untypisch, denn ihm fehlt die Jagderfahrung, um diesen Biss anzubringen." Und schließlich sei es auch nichts Neues, dass sich Wölfe in der Region aufhalten. "Die Fernwechsel waren schon immer bekannt", erklärt der Forstassessor und meint damit durchziehende Wölfe.
Erste eigene Sichtung 2016
Von einem Hochsitz in Sonnenburg aus habe er 2016 selbst einen Wolf gesehen, im Jahr darauf einen weiteren beim Abendansitz einer Drückjagd. Und erst am Wochenende habe es eine frische Fährte nahe der Umgehungsstraße in Altranft gegeben. Die tote hochbeschlagene Ricke – also mit Jungen im Bauch – hätten an seinem Dienstsitz auf dem Gelände an der Köhlerei auch noch zwei andere Kollegen gesehen, darunter einer aus Petershagen. "Rund um Zeschdorf werden ebenfalls regelmäßig Wölfe gesichtet. Die haben aber offenbar mehr als wir."
Dass ein Wolf dort jagt, wo Kurgäste unterwegs sind, wirft für Christoph Naß aber Fragen auf. Zum Beispiel, ob die natürliche Scheu noch vorhanden ist. Es sei schon auffallend, dass immer wieder normale Waldbesucher von Sichtungen berichten und einzelne Wölfe im urbanen Bereich auftauchen. Seit Anfang der 2000er-Jahre habe sich das verstärkt. "Seither ist das Ganze auch nicht mehr zu verheimlichen. In den vergangenen drei, vier Jahren hat es noch einmal einen Ruck gegeben." Doch das könne die normale Populationsdynamik sein. "So lange es noch freie Territorien gibt, wirkt sich das auf die Anzahl der Jungen aus."
Und dass Wildtiere in besiedelte Bereiche vordringen, sei ebenfalls nicht neu. "Das hat meist einen ganz einfachen Grund", sagt Christoph Nass und bestätigt den Gedanken an Wildschweine oder Waschbären. "Die Tiere wollen möglichst ohne großen Aufwand an Nahrung herankommen." Auswirkungen auf seine Arbeit werde der Wolf wohl erst einmal nicht haben. "Ich bin auch nicht gegen den Wolf", macht der Mitarbeiter der Stadtverwaltung deutlich.
Information kam zu spät
"Problem ist, dass der Wolf hierzulande als ausgestorben galt oder unsere Vorfahren meinten, den letzten geschossen zu haben", gibt er zu bedenken. "Wir haben in den vergangenen 150 Jahren keine Erfahrungen mehr mit Wölfen gemacht und heute eine viel dichter besiedelte Kulturlandschaft." Da stelle sich die Frage, was die Gesellschaft in Kauf nehmen will. Das einzige, was er an dem Vorfall zu kritisieren habe, ist, dass er erst am Freitagmorgen informiert worden sei. "Aus der Fachklinik hieß es, dass das Reh bereits am Donnerstagabend auf dem Weg lag und man die Polizei verständigt habe." Er gehe davon aus, dass der Wolf gestört worden ist, sonst hätte er wohl nicht seine Beute liegenlassen."
Die Stadtverordneten von Bad Freienwalde hatten Ende Januar übrigens eine Erklärung zur wolfsfreien Zone, die an die Landesregierung gehen sollte, mehrheitlich abgelehnt, Nachbarkommunen dagegen die Initiative des Bauernbunds Brandenburg aufgegriffen.
Kommentar: Einzelfall oder nicht?
Von Wölfen in der Region wurde bereits häufiger berichtet. Für gerissene Schafe soll zuletzt aber ein Hund verantwortlich gewesen sein. Da wird gern mal in das Reich der Märchen verwiesen. Doch das tote Reh im Kurpark ist Realität. Die Schilderungen von Christoph Naß klingen plausibel und bestätigen Hinweise anderer.
Der Vorfall sollte uns nicht ängstlich machen. Eher nachdenklich. So gilt im Wald zum Beispiel grundsätzlich eine Anleinpflicht. Doch wie viele Hundebesitzer lassen ihre Lieblinge los? Oder: Was kommt bei uns auf den Kompost und lockt Wildtiere an? Und dann muss natürlich beobachtet werden, ob das tote Reh so nah an der Fachklinik ein Einzelfall bleibt. Der Kurpark geht jedoch in Wald über. Vielleicht muss man dort hin und wieder so etwas hinnehmen. Oder reagieren, wenn dies öfter vorkommt. Vergrämung heißt da das schon vom Biber her bekannte Stichwort. Tiere sind lernfähig und meiden Gebiete, in denen sie mitbekommen, dass es für sie gefährlich wird. Noch steht der Wolf unter Schutz, aber inzwischen reagiert auch der Gesetzgeber mit Lockerungen. Anett Zimmermann