„Übers Feld von Dorf zu Dorf“ ist das Motto eines neuen Rundwanderweges, den Einwohner der beiden Kulturerbedörfer im Oderbruch bei Bad Freienwalde, aus Neulietzegöricke und Altwustrow, im Rahmen des Jahresthemas „Natur“ gemeinsam mit dem Oderbruch-Museum Altranft gestaltet haben. Was kann man dort erleben?
Fünf wasserblaue Schilder haben die Mitglieder der eigens dafür gegründeten Wustrower „Hänselgesellschaft“ gestaltet, fünf backsteinrote die Mitglieder des Kolonistenklubs Neulietzegöricke. Die beiden Dörfer, die den Gemeinden Oderaue und Neulewin angehören, werden dabei durch den symbolisierten Taufengel (Wustrow) und ein Fachwerkhaus (Neulietzegöricke) markiert. Zur Eröffnung erinnerte der Wustrower Udo Schagen an die von ihm gemeinsam mit „Lietzes Dorfschulzen“ Horst Wilke entwickelte Idee des Projektes, bei dem der durch die Trockenlegung 1747 bis 1753 eingeleitete Wandel bis hin zur Komplexmelioration verdeutlicht wird.
Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke: Wo war denn nun genau die alte Kreisgrenze? Selbst Einwohner der beiden Dörfer, die der Rundweg verbindet, können es nicht genau sagen. Die Erinnerung daran ist seit der Kreisreform nach dem Kriegsende 1945 immer mehr verblasst. Der großtei des alten Kreises Königsberg-Neumark wurde polnisch.
Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke: Wo war denn nun genau die alte Kreisgrenze? Selbst Einwohner der beiden Dörfer, die der Rundweg verbindet, können es nicht genau sagen. Die Erinnerung daran ist seit der Kreisreform nach dem Kriegsende 1945 immer mehr verblasst. Der großtei des alten Kreises Königsberg-Neumark wurde polnisch.
© Foto: Ulf Grieger
Auf den Wustrower Schildern erfahren die Wanderer, wie sehr sich der alte Rundling über die Jahrhunderte an das Sumpfgebiet und seine reiche Flora und Fauna angepasst hatte. Die stets als eigensinnig geltenden Einwohner bildeten wohl schon im 17. Jahrhundert nach dem Vorbild der kaufmännischen Hanse Gemeinschaften, um sich gegenseitig zu unterstützen und zu fördern: die Hänselbruderschaften, die auch in anderen Altdörfern wie Altreetz und Altwriezen nachgewiesen sind.
Am Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke: Der Klub der Kolonisten hat an der alten Schule eine Heimatstube 2.0 eingerichtet. Dort kann man sich per Münzeinwurf (ein Euro) alte Dorfansichten anschauen.
Am Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke: Der Klub der Kolonisten hat an der alten Schule eine Heimatstube 2.0 eingerichtet. Dort kann man sich per Münzeinwurf (ein Euro) alte Dorfansichten anschauen.
© Foto: Ulf Grieger
Davon, wie aus Fischern Landwirte wurden, berichtet eine Tafel der Neulietzegöricker. Und auch davon, welche der Bedeutung der „Schachtgraben“ im Dorf und der gemeinschaftlich genutzte Anger für die Dorfgemeinschaft hatte; wie wichtig Schule, Kirche und Gasthaus für sie waren und zum Teil auch noch sind. In der ehemaligen Schule, dem heutigen Kolonistencafé, konnten die Wandergruppe am Eröffnungstag auch einkehren. Der Klub der Kolonisten präsentierte dort seine kleine Heimatstube 2.0, die für einen Münzeinwurf (ein Euro) Bilder zur Geschichte des ältesten Kolonistendorfes zeigt.
Auf dem Wustrower Anger erzählt die Tafel von der Tradition der Pferdezucht und davon, dass der später zum Steigbügelhalter der Nazis avancierte Hohenzollern-Kronprinz Wilhelm schon als Kind seine Reiterferien in Altwustrow verbracht hatte und den Ort immer wieder anlässlich von Manövern besuchte. Und auch davon, dass die „Kronprinzeneiche“ gefällt wurde und nun eine Friedensseiche dort steht. Die von der Künstlerin Heike Zappe aus Neulietzegöricke gestalteten Schilder berichten aber auch von Begebenheiten, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen.
Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke eröffnet: Udo Schagen von der Wustrower Hänselgesellschaft erklärt die Besonderheiten des Altwustrower Friedhofs.
Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke eröffnet: Udo Schagen von der Wustrower Hänselgesellschaft erklärt die Besonderheiten des Altwustrower Friedhofs.
© Foto: Ulf Grieger
So hatte die pensionierte Lehrerin Christine Melz berichtet, warum die Wustrower Schule letztlich geschlossen werden musste: Es waren schlichtweg die Kohle zum Heizen alle gewesen. Erzählt wird die Geschichte des Lietzer Rodelberges und es wird das Rätsel gelöst, woran der Wustrower Dorfschmied die Geräte seiner Kunden erkannt hat.
Für die Einwohner, die für die Tafeln die Texte und Fotos gesammelt hatten, wie Sabine Wittig, Birgit und Peter Norden, Horst Wilke, Udo Schagen sowie Simone und Ulf Grieger war es immer wieder überraschend, wenn sie eigentlich als bekannt vorausgesetzte Informationen hinterfragten und weiter recherchierten. So war zwar bekannt, dass die alte Kreisgrenze zwischen dem Oberbarnim und Königsberg/Neumark zwischen Altwriezen und Altwustrow an der Güstebieser Alten Oder verläuft. Aber wo genau war diese Grenze? Ähnlich war es mit den „Hexen“ – Granitsteine, die buckligen alten Frauen gleich am Wegesrand stehen und Verbindungen markieren, die längst umgepflügt sind: Nirgends war ein schriftlicher Hinweis darauf, was allgemeiner Sprachgebrauch ist, dass man Hexen dazu sagt.

Wo legt man im Sumpf einen Friedhof an?

Kriegsgräberstätte Altwustrow: Frauen aus dem Dorf haben sie bis zu ihrem eigenen Tod gepflegt.
Kriegsgräberstätte Altwustrow: Frauen aus dem Dorf haben sie bis zu ihrem eigenen Tod gepflegt.
© Foto: Ulf Grieger
Am alten Wustrower Friedhof erfährt man etwas dazu, wie die Fischer des Inseldorfes Wustrow mit ihren Toten umgegangen sind. Die wurden per Kahn nach Wriezen zum Oberbarnim-Hang gebracht, wo noch heute der Friedhof ist. Auf erhöhte Stellen im Bruch konnte erst nach 1753, also nach der Trockenlegung bestattet werden. Dort liegen auch die jungen Gefallenen, die 1945 bei einem Feldgefecht zwischen den Dörfern getötet wurden.
Udo Schagen berichtete, was ihm Zeitzeugen gesagt haben: Mit einigen dieser jungen Soldaten hatten sich die Kinder der Wustrower Familien angefreundet. Bis zu ihrem Tode pflegten Wustrower Frauen dieses Kriegsgefallenengrab auf dem Friedhof so, als wäre die Soldaten ihre eigenen Angehörigen gewesen.
Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke: Einwohner und Bürgermeister, Touristiker und Historiker waren zur Rundwegseröffnung gekommen.
Rundweg Altwustrow-Neulietzegöricke: Einwohner und Bürgermeister, Touristiker und Historiker waren zur Rundwegseröffnung gekommen.
© Foto: Ulf Grieger
Zu den Gästen des ersten Rundgangs auf dem 4,5 Kilometer langen Weg, gehörte auch der Historiker Reinhard Schmook, der sich wie kaum ein Zweiter mit der Regionalgeschichte auskennt. „Das ganze Projekt ist Ihnen rundum gut gelungen“, erklärte er im Anschluss. Und Michael Rubin, der Bürgermeister von Oderaue war ebenso dabei wie Golzows Bürgermeister Frank Schütz von der AG Kulturerbe, Oderbruchmuseums-Programm-Leiter Kenneth Anders, Angeline Piesche vom Tourismusverband sowie Barnim-Oderbruchs-Amtsdirektor Karsten Birkholz, zeigte sich ebenso begeistert.
Rundweg Altwustrow- Neulietzegöricke eröffnet: Peter Norden erzählt an der Dorfgrenze die Sage von "Lieses Loch", einem Altgewässer der Oder an der alten Kreisgrenze.
Rundweg Altwustrow- Neulietzegöricke eröffnet: Peter Norden erzählt an der Dorfgrenze die Sage von „Lieses Loch“, einem Altgewässer der Oder an der alten Kreisgrenze.
© Foto: Ulf Grieger
Tobias Hartmann, er koordiniert die Aktionen der Kulturerbeorte, verwies auf die mit dem Weg ermöglichte weitere Vernetzung und informierte, welche Projekte zum Jahresthema Natur weiterhin laufen: Neben Lesungen, Foto- und Kunstausstellungen ist das auch die „Pfaffen-Kräuter-Tour“ von Sietzing über Wuschewier nach Altfriedland.