Die Straße eben mal zur Bühne gemacht hat am Sonnabendnachmittag der Schauspieler und Autor Michael Becker vor der Comenius Grundschule in Lieberose, um mit der Journalistin Ingrid Hoberg den gemeinsamen Foto-Kalender „Lieberoser Türen“ vorzustellen. Dieser wird bald auch im Buchhandel erhältlich sein.
Denn die Schultore waren fest verschlossen. Am Vortag hatte Becker vom Amt Lieberose/Oberspreewald kurzerhand mitgeteilt bekommen, dass sie wegen Corona nicht deren Aula nutzen können. Ein anderer Raum konnte nicht mehr besorgt werden, aber in der Presse war die Premiere ja bereits angekündigt worden.

Als Dankeschön zum Abschied

Doch die beiden Kalender-Machenden kennen sich ja aus in der Stadt: Die heutigen Cottbuser Ingrid Hoberg und Michael Becker sind in Lieberose aufgewachsen. Der Schauspieler hat aber nun seinen zweiten Wohnsitz hier aufgegeben. Für den 69-Jährigen soll der Kalender als Abschiedsgeschenk ein Dankeschön an die Lieberoser sein, denen er sich auch weiterhin verbunden fühlt.
Zusammen mit Ingrid Hoberg hat er die Kamera in die Hand genommen, um die kleinen Schönheiten der Stadt festzuhalten, die es neben Barockschloss und Kirchen gibt. Da ist eine Tür zu sehen, zu der man über Stufen durch ein Biedermeierportal gelangt. Eine andere Tür ist mit Nägeln beschlagen und wirkt so wehrhaft, dass sie auch zu einer mittelalterlichen Burg passen könnte. Wieder andere zeigen kunstvolle Vergitterungen. Ein malerisches Bild gibt eine schlichte, blaue Kassettentür ab, die von roten Kletterrosen umrankt wird.

Adressen müssen die Leute selbst erkunden

Manche der Häuser zeigen den morbiden Charme der Vergänglichkeit. An einer benagelten Tür aus diagonal verarbeiteten Brettern hat sichtbar der Zahn der Zeit genagt. Sie ist von einem kunstvoll mit Girlanden verzierten Steintor eingefasst, auf dessen Bogen steht: „ANNO CHRISTI M.D.C.LXXXVIII“, also 1688. Damit ist sie die älteste Tür dieses Kalenders.
„Wo sich all die Türen befinden, müssen die Lieberoser selbst entdecken“, lächelt Ingrid Hoberg. Es gibt keinerlei Anschriften oder Bildunterschriften dazu.

Spontaner Flashmob mit Brecht

Zur Premiere versammelte sich ein munteres, etwa 15-köpfiges Völkchen um die beiden Akteure. Dieter Klaue und Heinz-Gerd Hesse, der Vorsitzende und sein Stellvertreter des Fördervereins Lieberose, waren dabei. Inge Holzborn - extra aus Kagel gekommen - und Edith Voigt hatten es sich als einstige Mitschülerinnen von Michael Becker in der 1. bis 8. Klasse nicht nehmen lassen. „Wir kennen uns schon vom Kindergarten her“, lachte Inge Holzborn vergnügt. „Er ist ein richtig cooler Kumpel.“
Der Schauspieler Herbert Fischer, der am Staatsschauspiel Dresden engagiert war, „wollte den Kollegen gern mal erleben und sehen, ob wir mal etwas zusammen machen könnten“, sagte er. Die einstige Nachbarin in Lieberose, die Physiotherapeutin Sigrid Ebert, mag Beckers offene Art, mit den Dingen umzugehen. Und: „Er hat das kulturelle Leben Lieberoses bereichert, und alles, was er geboten hat, hat Spaß bereitet.“
So konnte auch bei diesem kleinen Treffen Michael Becker wieder sein Publikum erfrischend-humorvoll unterhalten. Bei seinem Vortrag von Brechts Alphabet bezog er alle temperamentvoll mit ein. Nach einer halben Stunde war der Flashmob vorbei, und die Anwesenden verstreuten sich gut gelaunt in alle Richtungen.

Amt informierte zu spät

Der Förderverein hat die Veranstaltung unterstützen und auch für die Einhaltung der Hygieneregeln sorgen wollen. „Es wäre schön gewesen, wenn wir vom Amt Bescheid von der Absage bekommen hätten. Uns hat es kalt erwischt. Wir hätten reagieren können“, sagt Klause ärgerlich. „Uns war die Veranstaltung wichtig, weil es sich hier in Eigeninitiative um einen sehr persönlichen Liebesbeweis an die Stadt handelt.“ Er hofft, dass die nächste Veranstaltung mit Michael Becker stattfinden kann.

Info: 21. November, 15 Uhr in der Lieberoser Darre: „Becker trifft Becker“ zusammen mit Peter Becker.