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Zwischen der Marienkirche und der Alten Schule in Beeskow steht ein riesiger Kranwagen. Ganz oben schwebt eine Gondel. Der Arm des Krans bewegt sich über das Winterdach, das über der Alten Schule errichtet wurde. In der Gondel befinden sich zwei Arbeiter. Mit Schrubber und Schaufeln „bewaffnet“ schieben sie Schnee und Eisblöcke von der Metallkonstruktion, die mit Folie überspannt wurde. Aus Sicherheitsgründen, denn die Folie verträgt nur eine Schneelast von 25 Kilo pro Quadratmeter, das sind etwa zehn bis 15 Zentimeter Schnee. Auf dem Dach liegen aber mindestens 20 Zentimeter. „Hier ist Gefahr im Verzug“, so die Sanierungsbeauftragte der Stadt Beeskow, Kerstin Müller.
Seit dem Silvestertag ist das Wort „Gefahr“ zur bitteren Wirklichkeit geworden. Der 33 Jahre alte Gerüstbauer Maik E. war gegen Mittag aus bisher ungeklärter Ursache von einem Baugerüst der Alten Schule gestürzt und noch am Unfallort verstorben. Die Arbeiter in der Gondel sind die Kollegen des Verunglückten. Sie hatten die traurige Aufgabe, die Arbeit, die am Silvestertag wegen des Unglücks abgebrochen wurde, zu Ende zu bringen. Die Gerüstbauer wirkten gestern sichtlich mitgenommen. „Meine Frau hat täglich Angst um mich“, bekennt René Kobert. Doch mit der allgegenwärtigen Gefahr hat sich der Gerüstbauer abgefunden: „Das gehört zum Job einfach dazu.“ Kobers Kollege Mario Lenz wirkt geschockt, aber auch gefasst: „Wir müssen jetzt noch besser auf unsere Sicherheit achtgeben.“ Beide Gerüstbauer waren am Freitag auf der Unglücksbaustelle im Einsatz, mussten miterleben, wie die Wiederbelebungsversuche erfolglos abgebrochen werden mussten.
Der Arbeitgeber des Verunglückten, Ronny Weber, Geschäftsführer der Firma Weber Gerüstbau Eisenhüttenstadt, war sofort nach dem Unglück nach Beeskow geeilt. Auch ihm war gestern am Telefon tiefe Betroffenheit anzumerken: „Wir Gerüstbauer haben ein besonders enges Arbeitsverhältnis, weil sich jeder auf den anderen bedingungslos verlassen muss.“ Da gehe einem der Tod eines Kollegen sehr nahe. Montagmorgen hatte er eine Betriebsversammlung einberufen, zu der alle neun Angestellten erschienen waren. „Ich werde mit einem Brief an die Familie unseres verstorbenen Kollegen herantreten und im Rahmen unserer Möglichkeiten Hilfe anbieten.“ Maik E., der seit eineinhalb Jahren im Unternehmen beschäftigt war, hinterlässt eine Lebensgefährtin und einen dreijährigen Sohn.
Wenige Stunden nach dem Unglück war auch eine Kommission des Landesamtes für Arbeitsschutz am Unfallort. Noch habe die Behörde keine Erkenntnisse über die Unfallursache. „Es wird eine Obduktion geben, um eine gesundheitliche Ursache, wie beispielsweise Herzprobleme, auszuschließen“, so Katharina Weisberg vom Landesamt. Nach ersten Erkenntnissen war Maik E. nicht direkt mit Schneeräumen beschäftigt gewesen. „Der Verunglückte hatte die Aufgabe, die Baustelle zu fotografieren.“
In der Stadtverwaltung herrschte gestern gedämpfte Stimmung. Kerstin Müller hat erst am Morgen von dem Unglück erfahren: „Kein schöner Jahresbeginn“, so die Sanierungsbeauftragte. Kerstin Bartelt, zuständig für Stadtentwicklung, verteidigt die Fortsetzung der Bauarbeiten im Winter: Man habe nach dem Erhalt des Fördermittelbescheids so schnell wie möglich angefangen und wolle die Sanierung der Alten Schule bis zur 500-Jahr-Feier von St. Marien im Spätsommer „so weit voranbringen, wie möglich“. Für die Sanierung des historischen Gebäudes stehen 880 000 Euro zur Verfügung, das Vorhaben wird zu 100 Prozent aus Mitteln der Städtebauförderung finanziert. Die Sanierungsarbeiten würden trotz des Unglücks fortgesetzt, so Kestin Müller.