Als Brigitte Müller im Frühjahr vor einem Jahr erfuhr, dass ihr Geburtsort Rieplos in diesem Jahr 575 Jahre alt ist, hat sie gleich die Frage nach einer Chronik gestellt. Die heute 72-Jährige, die zuletzt beim WAS-Verband als Hauptbuchhalterin tätig war, hörte sich um, wer alt Fotos hat oder Urkunden. Zuerst wurde sie in ihren vier alten Familienalben fündig, welche sie von den Eltern Gertrud und Georg Müller überliefert bekommen hatte. Auch der Grundbuchauszug von 1759 für das Gehöft, in dem sie noch heute wohnt, gibt Auskunft über die Geschichte. Die meisten Informationen aber lieferte ihr Werner Fiedler aus Lindenberg.
69 Pesttote
Da ein großer Teil seiner Verwandtschaft aus Rieplos ist beziehungsweise in Rieplos lebt, hat er über den Ort alle regionalgeschichtlichen Beiträge gesammelt, die in der MOZ erschienen sind. Das ist ein dick gefüllter Ordner. Auch die alten Protokollbücher der Gemeinde aus den 1950er und -60er Jahren wertete sie aus. "Das war eine spannende Zeit, die Nachkriegsjahre und die Gründung der LPG", hat Brigitte Müller erkannt. Sie selbst hatte ihren Beruf Buchhalterin in der MTS Philadelphia (Maschinen-Traktoren-Station) erlernt. Sie findet ihn interessant , denn "man bekommt einen Überblick über die gesamte Leistung einer Firma. Diese spiegelt sich in den Zahlen wider".
So war das Anlegen einer Ortschronik genau die richtige Beschäftigung der Seniorin, die bei allen Veranstaltungen im Ort dabei ist und sich seit 1980, als sie ein Segelboot kaufte, im Segelverein Ciconia immer noch ehrenamtlich betätigt. Jetzt kümmert sie sich besonders um Geld für die Kinder- und Jugendarbeit des Vereins, damit dieser Reisekostenunterstützung geben kann.
Die Freiwillige Feuerwehr kommt nur knapp in Brigitte Müllers Chronik vor, denn "die ist immer an erster Stelle der Aktiven und hat ihre eigene Chronik", ist die Erklärung. Brigitte Müller hat darauf geachtet, dass es nicht zu viel Text wird, "damit man es schnell lesen kann". Begonnen wurde 1444 mit der Entstehung des Namens aus dem niedersorbischen Repkow oder Ryplosz und Rieploß. Man erfährt, dass 69 Leute 1631 an der Pest starben und der Dreißigjährige Krieg noch einmal die Bevölkerung um 40 Prozent reduzierte. 1873 wurde die Schule gebaut, 1887 bis 1888 die Chaussee. 1903 stieg erstmals ein Kinderfest und so weiter bis ins Jahr 2019 mit dem Satz: "Rieplos zählt 125 Einwohner." Auch der Gewinn der Spaßolympiade 2016 ist festgehalten und und und.
Das Konzept der Chronik hatte Brigitte Müller mit Ortsvorsteher Hartmut Paschke ausgearbeitet, und das Layout wurde kostenlos von Manfred Schmatz aus Storkow erstellt, dem Vorsitzenden des Segelvereins Ciconia. Die Druckkosten für die 125 Heftchen hat die Stadt getragen.
Jeder Rieploser Haushalt erhielt ein Exemplar, den Rest gibt Brigitte Müller gern an weitere Interessenten ab, etwa an hier Aufgewachsene, die nun wo anders leben. "Ich denke schon, dass die Leute die Broschüre nicht wegwerfen", ist sie sich eigentlich sicher, denn es gab schon "einige positive Reaktionen auf die Chronik". Nun sammelt die Ur-Rieploserin weiter ortsgeschichtliche Fakten, hält alles fest, was so passiert. "Vielleicht findet sich jemand, der das verwendet für eine Chronik zur 600-Jahr-Feier", ist ihr Wunsch. Das Jahr 580 wäre auch schon ein Grund für eine Fortsetzung. "Mal gucken", schmunzelt die quickmuntere 72-Jährige.