Vielleicht denkt er an die wilden Erlebnisse in seiner Jugend? Kasimir ist 20 Jahre alt. Früher galt er als herrisch und damit als perfekter Schäfer-Kater. Mittlerweile ist der alte Herr taub und dement – manchmal schläft er gar beim Fressen ein und muss an seine "Aufgabe" erinnert werden.
Kater Kasimir ist einer von etwa 57 Haus- und Nutztieren auf dem Awo-Erlebnishof in Beeskow. Die meisten von ihnen konnten wegen Alters oder Krankheiten nicht mehr von Tierheimen vermittelt werden. Oder sie wurden in ihrem früheren Zuhause überflüssig, wie es bei den Hängebauchschweinen Tick, Trick und Track der Fall gewesen war. Wie einige Katzen und Kaninchen – eines stammt aus einem Versuchslabor – kamen sie vor sechs Jahren als Pflegetiere auf den Erlebnishof. Das bedeutet, die Tierschutzliga übernimmt Tierarztkosten, der Hof Futter und Unterbringung.
Eselin mit Asthma und Shetland-Ponys
Bedrückende Berühmtheit erlangte auch Eselin Schnute. Vor neun Jahren kam die heute 16-Jährige von einem Biberhof im Spreewald auf den Erlebnishof. Ihre Pflege ist besonders aufwendig, denn sie leidet unter starkem Asthma, muss täglich Medikamente nehmen und inhalieren. Ob sie ein hohes Eselsalter von 40 bis 50 Jahren erreichen wird, ist unklar.
Neben ihr steht Hanna (6), die als Fohlen aus dem Kindertierpark Wendisch Rietz nach Beeskow kam. Mal necken sich die beiden, mal schmusen sie. Mit ihren Nachbarinnen Waltraud und Gertrude – die Namen erhielten sie durch einen Wettbewerb – verstehen sich die Eselinnen gut. Die Shetland-Ponys, die eine Familie dem Hof schenkte, nachdem Pony Tommi gestorben war, werden nicht beritten, dürfen aber mit Jugendlichen zu Wanderungen in der Region aufbrechen.
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Nebenan teilen sich die Ziegen Flecki, Blacky und Gismo – "Scheidungskinder von einem Kinderbauernhof aus dem Oderbruch", wie Heike Schönberg ihr Schicksal beschreibt – ein Gehege mit drei Schaf-Damen. Kurz nach der Ankunft von Lise und Lotte war auch Flocke da – "ihr gemeinsames Kind", lacht Schönberg. Wer die Mutter war, weiß niemand sicher.
Keines der Hoftiere ist mehr zeugungsfähig, denn für überraschenden Nachwuchs ist eigentlich kein Platz. Kein Tier wird geschlachtet, alle bekommen hier ihr Gnadenbrot. Und bedarfsgerechte Pflege sowie eine neue Lebensaufgabe: Im Umgang mit Mitarbeitern und vor allem vielen Besuchern – darunter sind zahlreiche Kinder und Jugendliche, behinderte, demente und geflüchtete Personen – lernen die Tiere, wie sie den Menschen Respekt beibringen können.
Dafür sorgen mehrere Lern-Programme und strenge Regeln: Die Tiere haben immer einen Rückzugsort. Gleichzeitig lernen die Gäste, an der Körpersprache der Tiere zu lesen, wann sie offen und neugierig, wann ängstlich sind. "Wir wollen hier kein Streichelgehege", stellt Leiterin Schönberg resolut klar. "Wir wollen Kindern den Respekt vor der Kreatur vermitteln."
Von der Angst zur Stärke
Eine besonders wichtige Rolle spielen die Therapiehündinnen. Vor acht Jahren kam Minimi total verängstigt als Zweithund auf den Hof. Sie war damals etwa zwei Jahre alt, aber kannte fast nichts: Schmetterlinge, Käfer, Blätterrauschen, selbst Grashalme ängstigten die Kleine. Permanente Angst lähmte das kleine Tier. Nach einem Jahr starb die ältere Dackeldame, eine neue Partnerin musste gefunden werden. Die Wahl fiel auf die noch ängstlichere Sheltiemix-Hündin Fenja, die sich nicht einmal mit Leckerlis bestechen ließ.
Nach einem halben Jahr ließ sie sich das erste Mal streicheln, erinnert sich Heike Schönberg, nach weiteren vier stieg sie ins Auto. Erst nach drei Jahren hüpfte Fenja erstmals auf die Couch. Schönberg besuchte mit "ihren Mädels" die "Schlaubetaler Hundeakademie" in Müllrose. 2017 schloss sie ihre Ausbildung als Kynotherapeuten bei Little Big Dogs in Berlin ab. Und Fenja und Minimi wurden Therapiehündinnen.
"Was Tiere alles leisten, wenn man ihnen nur eine Chance gibt!" Heike Schönberg ist immer wieder fasziniert, wenn sie die Fortschritte reflektiert, die allein ihre zwei Therapiehündinnen bei ihr gemacht haben. Letztes Jahr buchten über 1000 Kinder Veranstaltungen mit den Hunden, bald brauchen Fenja und Minimi wohl Unterstützung. Schönberg erklärt das Phänomen: "Hunde sind die besten Therapeuten, weil die Kinder gar nicht merken, dass sie therapiert werden."
Wegen der Corona-Pandemie sind derzeit alle Veranstaltungen und Fahrten auf den Awo-Erlebnishof abgesagt. Umso wichtiger sind Spenden: Heu und Stroh werden benötigt wie Zweige von Obstbäumen (Esel, Nager und Ziegen knabbern lieber daran als am Gehegezaun). Obst- und Gemüse-Abfälle zur Verfütterung können in der blauen Spendentonne am Eingang abgegeben werden.Für dienstlich Reisende wie Bauarbeiter, Monteure, Erntehelfer, Berufspendler ist der Hof explizit offen.Kontakt: T 03366 26153, Mail: [email protected]