Ob die Kinder ihre Rettung als Glück wahrnehmen konnten, erscheint fraglich. Die Trennung von der Familie und der Verlust der Heimat wogen sicherlich viel zu schwer. Sie bekamen neue Namen, ihnen wurde verboten, Deutsch zu sprechen oder ein Dirndl zu tragen. Über kurz oder lang fassten sie jedoch Fuß in ihrer neuen Umgebung – von außen betrachtet kaum anders als in Deutschland, wenn da nicht die faschistische Diktatur gewütet hätte.
Dieser Werdegang verlief natürlich nicht bruchlos. Die Wunden eines solchen Schicksals heilen nicht. Quälende Erinnerungen, Trauer, Klage und sogar Depressionen waren häufig die Folgen. Trotzdem gelang es den meisten, sich über kurz oder lang mit der neuen Realität zu arrangieren und ihre Chance zu nutzen.
Die Künstlerin Jossi Rücker, in der Region geboren und auch hier tätig, begab sich auf ihre Spuren. Sie sprach in Australien mit einigen, die bereit waren, Rede und Antwort zu stehen. Sie fotografierte, machte Tonaufnahmen und hielt Informationen fest. Ein Sachbuch war geplant, doch Jossi Rücker spürte bald, dass sich all das nicht zwischen zwei Buchdeckel pressen lässt. Zu bewegend waren die Schicksale, zu mächtig der Eindruck von Leid, aber auch von Lebenswille und Schaffenskraft.
Lebensläufe auf Papierrollen
So ist denn die Ausstellung in der Bernauer Galerie alles andere als eine reine Dokumentation von Fakten. Natürlich werden in ihr Biografien nachgezeichnet und aufbereitetes Archivmaterial präsentiert. Die Ausstellung insgesamt geht jedoch weit darüber hinaus, indem sie dem Besucher die lebendige Wirklichkeit erstaunlich plastisch vor Augen führt.
Wörtliche Zitate, teils fröhlich, teils unendlich traurig, werden kalligrafisch dargestellt und farbig unterlegt. Fotos wurden oft überarbeitet, Lebensläufe auf ein großes Leporello oder eine lange, schwarze Papierrolle übertragen, die sich von der Decke bis auf den Fußboden ausbreitet. Birkenstämme und das Bild eines australischen Papageis sorgen für noch mehr emotionale Nähe. Die Künstlerin ließ sich durch die Musik eines Komponisten aus der Orama-Kindergruppe zu einem abstrakten Gemälde animieren, ihre eigenen Kinder arbeiteten an einigen Exponaten mit. So wird das fremde Leben dem unseren eingewoben und weiter am Leben erhalten.
Bürgermeister André Stahl (Linke) zeigte sich am Freitagabend in seiner Laudatio erfreut darüber, dass die Schicksale der Orama-Kinder hier in Bernau dokumentiert werden. Man kann ihm nur recht geben. Ein Symbol des Friedenswillens kann kaum stärker sein.
Schlagwörter
Bernau