Andrea Milde und Roland Schefferski verbindet die künstlerische Arbeit mit Textilien. Dennoch haben sie bislang noch nie eine Ausstellung gemeinsam bestritten. Diese Premiere steht der Galerie Bernau zu. Dort sind im Rahmen der fünften Ausstellung, die sich mit dem 100-jährigen Bauhaus-Jubiläum befasst, ganz unterschiedliche textile Arbeiten der beiden Künstler zu sehen. Sie stehen unter dem Titel "Die Fäden einer Verwandschaft". So verschieden die Arbeiten auch sein mögen, befassen sie sich doch beide mit dem Alltag, mit den Spuren, die dieser hinterlässt.
Fast unscheinbar tritt das erste textile Objekt der Ausstellung dem Besucher gegenüber. Nahe dem Eingang hängen auf einer Kleiderstange mehrere alltagstaugliche Jacken. Es sind die "Die Berliner". Der 1956 in Polen geborene Roland Schefferski hat sie das erste Mal vor 19 Jahren in Warschau gezeigt. Von dort zogen sie nach Berlin, waren in Moskau und Los Angeles ebenso zu sehen wie in Bonn und jetzt in Bernau. Auf den Kleidungsstücken sind – auf den ersten Blick kaum wahrnehmbar – die Umrisse von Menschen wie leichte Gravuren aufgestickt. Schefferskis Clou aber ist, dass die Besucher eine dieser Jacken "vorübergehend" gegen ihre eigene tauschen und mit ihr durch Bernau gehen können. "Auf diese Weise findet die Kunst nicht nur in Galerien oder Museen statt, sondern im Alltag", sagt Roland Schefferski. Und mehr noch: "Wer die Jacke auf seinem Rundgang trägt, wird selbst zum Kunstwerk." Angeregt durch den Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer, der sich für die Stellung des Menschen im Raum interessierte, schafft Roland Schefferski so bewegliche Skulpturen. Abhanden gekommen ist ihm noch nie eine.
Die gestickten Umrisse sind nach Vorbildern gearbeitet. Nur ein paar Schritte weiter liegen Kleidungsstücke wie weggeworfen auf dem Boden. Doch auch sie verbindet eine aufgestickte Silhouette. Udo Wiegand aus Berlin liegt starr daneben. Sein Konterfei war das Vorbild. "Es ist angenehm, auf diese Weise verewigt zu werden", sagt er, als er wieder aufgestanden ist.
In die ausgesprochen kunstfertigen Webarbeiten von Andrea Milde zieht der Alltag auf ganz andere Weise ein. Das großformatige Bildwerk "Zweiheit" zeigt eine Frau und zwei fremde Wesen. Kleinere Figuren sind dazwischen eingewebt. Die "Zweiheit" entstand in drei Jahren, war jedoch von Anfang an genauestens geplant und entworfen. Während des Webens, erläutert Andrea Milde, sieht sie vor sich lediglich einen etwa 30 Zentimeter großen Horizont der Arbeit, da die bereits gewebten Abschnitte eingerollt werden. Dies erfordert eine sehr genaue Planung des Gesamtbildes. Doch immer wieder kann sie auch kleine Änderungen, handgroße Figuren einweben. So würden die Veränderungen, die sie während der dreijährigen Entstehungszeit erlebt, als Improvisationen nachträglich in das eigentlich geplante Bild einfließen. "Die Zeit läuft mit", sagt sie. Nachrichten, politische und persönliche Ereignisse, Gespräche schlagen sich nieder.
Kurs für Besucher
Die Ausstellung "Die Fäden einer Verwandschaft" ist bis zum 22. November in der Galerie Bernau in der Bürgermeisterstraße 4 zu sehen. Sie ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie sonnabends von 10 bis 16 Uhr geöffnet.
Außerdem finden mehrere Begleitveranstaltungen statt. Am Freitag, 25. Oktober, von 17 bis 18 Uhr lädt die Galerie zusammen mit dem Awo-Kreisverband/Willkommensinitiative zu einem Galerie-Gespräch ein. Von 18 bis 19 Uhr ist Roland Schefferski zu Gast und wird die "Berliner" vorstellen. Am Freitag, 22. November, folgt ein weiteres Galerie-Gespräch ab 18 Uhr. Um 19 Uhr wird Andrea Milde durch die Ausstellung führen.
Während der Ausstellungsdauer unterrichtet Andrea Milde den Kurs "Bilder Weben_Zeit Erleben" an der Volkshochschule in Bernau. Anmeldungen und weitere Informationen hierzu sind unter www.kvhs-barnim.de zu finden. Der Kurs findet am 4. und 5. Oktober sowie am 11. und 12. Oktober statt.