Medizinern am Immanuel Herzzentrum Brandenburg in Bernau ist etwas ganz Besonderes gelungen: Erstmals wurde in Brandenburg ein Hochrisiko-Patient mit Mitralklappeninsuffizienz – also einer Herzschwäche, bei der die Herzklappen nicht mehr richtig schließen – mit einem neuen Klappenersatzverfahren behandelt. Mithilfe einer „Tendyne-Klappe“ haben die Bernauer Herzspezialisten dem Patienten im Katheterverfahren erfolgreich eine neue Herzklappe eingesetzt. Das teilte die Klinik am Montag mit.
Die neue Technologie ist die erste Behandlungsmöglichkeit ihrer Art, um die Mitralklappe ohne Operation am offenen Herzen zu ersetzen, wenn eine Transkatheter-Reparatur der Klappe nicht möglich ist. Der mehrfach vorerkrankte Patient, bei dem die Mitralklappe nicht mehr vollständig schloss, konnte so ohne Herz-Lungen-Maschine und Öffnung der Brust behandelt werden. Der 63-jährige Patient und das Herzzentrum wurden in einem komplizierten Auswahlverfahren vom Hersteller Abbott ausgewählt, um die neue Technologie anzuwenden. Grund dafür, sei die ausgewiesene Expertise im Immanuel Klinikum unter Kardiologie-Chefarzt Prof. Dr. Christian Butter, heißt es.
Ventil zwischen den Herzkammern
Die Mitralklappe ist eine der vier Klappen des Herzens, die als Ventile zwischen den Herzkammern und den Arterien arbeiten. Die Mitralklappe besteht aus zwei Segeln zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Wenn die Segel nicht mehr richtig schließen, fließt mit jedem Herzschlag Blut zurück in den Vorhof. Passiert dies, werden die Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt. Etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland sind von einer Herzinsuffizienz betroffen. Sie gehört mit zu den führenden Todesursachen.
„Unser Patient hatte wegen seiner Herzschwäche bereits viel Zeit in anderen Krankenhäusern verbracht, er hatte Luftnot und war nur eingeschränkte belastbar“, erklärt Kardiologie-Chefarzt Prof. Dr. Christian Butter. „Aufgrund seiner zahlreichen Begleiterkrankungen und seines Allgemeinzustandes entschieden wir als Herzteam, dass das Risiko einer offenen Herzklappen-Operation zu hoch war. Auch die bisher etablierten kathetergestützten Maßnahmen wie zum Beispiel ein MitraClip, der auf die Segel aufgesetzt wird und sie zusammenhält, kam aus anatomischen Gründen nicht in Frage.“ Es ging also um Leben und Tod. „Der Patient brauchte eine neue Herzklappe, ohne Herz-Lungenmaschine, am schlagenden Herzen, minimal-invasiv, nur durch einen Katheter“, so Prof. Dr. Butter weiter.
Einsatz einer neuen Mitralklappe sehr komplex
Eine Herausforderung. Denn während sich der Ersatz der Aortenklappe durh die Kathetertechnik in den vergangenen 20 Jahren etabliert hat, gestaltet sich der Einsatz einer neuen Mitralklappe mittels Katheter deutlich komplizierter. Die Anatomie dieser Herzklappe ist komplexer, sie ist sehr beweglich und befindet sich zwischen zwei linken Herzkammern. Aufgrund der starken Muskelbewegung und der großen Strömung ist die Verankerung der neuen Klappe schwierig, beschreibt Prof. Dr. Butter das Problem.
„Immer wieder hat die Herzmedizin verschiedenste Ansätze bei ausgewählten Patienten erprobt, aber bislang konnte keine überzeugen“, so der Kardiologie-Chefarzt. Mit der seit 2020 zugelassenen Tendyne-Ersatzklappe komme aber nun ein neuer Verankerungsmechanismus zur Anwendung. Ein an der Klappe befestigtes Halteband (Klappen-Tether) wird mit einem kleinen „Knopf“ mit der Herzspitze verbunden und hält so die Klappe in Position. Die zarte künstliche Klappe selbst ist wie eine Doppelkrone in eine etwas größere tulpenförmige Halterung eingenäht. Sobald sie am Faserring, dem Übergang zwischen den Herzkammern, freigesetzt wird, dehnt sie sich aus und dichtet als neue Klappe den Ring ab.
Sieben Zentimeter langer Schnitt gesetzt
Diese neue Technologie sei die einzige Chance für den Patienten in Bernau gewesen. Nach gründlicher Vorbereitung setzte der leitende Oberarzt der Abteilung Herzchirurgie, Dr. Michael Erb, einen circa sieben Zentimeter langen Schnitt zwischen den linken Rippen. Durch die Öffnung konnte der Katheter durch die Herzspitze ins Herz bis zur undichten Mitralklappe vorgeschoben und genau an der richtigen Stelle freigesetzt werden. Sie nahm ihre Ventilfunktion sofort problemlos auf.
Nach einem Tag auf der Intensivstation wurde der Patient auf der Intermediate Care Station überwacht. Er konnte inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen werden. „Alle Kontrollen zeigten eine tadellos funktionierende neue Mitralklappe“, bestätigte Prof. Butter.