Das Pilotprojekt "Fahr mit!" zur Verbesserung der Mobilität geht in Melchow in dieser Woche an den Start. Mit dem Modellvorhaben wollen die Deutsche Umweltstiftung und die Gemeinde Melchow die Mobilität auf dem Land verbessern. Wenn die auf nur zwei Monate angesetzte Test- und Anpassungsphase Erfolg verspricht, dann könnte dieses Mitfahr-Modell nicht nur im Barnim, sondern auch darüber hinaus Nachfolger finden.
Kernstück ist eine Tafel in der Melchower Ortsmitte, konkret an der Kreuzung Eberswalder Straße/Alte Dorfstraße. Einerseits werden auf dieser Tafel private Autofahrten angezeigt, die Anwohner aus Melchow und Umgebung in der nächsten Zeit planen. Andererseits könnten sich interessierte Melchower direkt an dieser Tafel für eine angekündigte Fahrt als Mitfahrer anmelden. Das Vermittlungs- und Mitfahrsystem baut auf Freiwilligkeit auf, wie Michael Golze, Projektleiter der Umweltstiftung, unterstreicht. Nur wer sich als Fahrer oder als Mitfahrer einmal vorab schriftlich registrieren lässt, kann Fahrten anmelden oder buchen. Die Anzeige kann dann – nach erfolgter Eintragung – auch anonymisiert erfolgen.
Ob Fahrten zum Einkaufen in Biesenthal, Bernau oder Eberswalde, zum Arzttermin, Besuche bei Verwandten und Freunden – das Angebot kommt offenbar an. Wie Michael Golze berichtet, liegen bereits 20 Registrierungen vor und die ersten Fahrten sind gebucht. In einem Rundschreiben an alle Haushalte in Melchow und Schönholz wurde die "Mitfahrzentrale" vorab vorgestellt. Formulare zum Anmelden per Post lagen auch mit bei. Das Porto für den Rückbrief trägt die Umweltstiftung.
Die Ursprünge des Melchower Mobilitätsmodells liegen schon etwa fünf Jahre zurück. "Damals haben wir den ersten Bürger-Workshop veranstaltet", berichtet Bürgermeister Ronald Kühn. Zum Beginn der neuen Wahlperiode ging es darum, die Wünsche der Bürger zu erfahren. Ein Punkt galt der Verbesserung der Mobilität der Anwohner, und zwar unabhängig davon, ob sie ein Auto besitzen, das Gehen schwer fällt oder Gepäck mitgenommen werden soll. Wie Ronald Kühn sagt, wurde ein System gewünscht, das den Öffentlichen Personennahverkehr mit seinen festen Routen und Fahrzeiten sowie die persönlichen Verabredungen im Rahmen der in Melchow nicht unbeträchtlichen Nachbarschaftshilfe ergänzen soll.
Aus dieser Idee entstand ein Modell aus zwei Säulen. Mit der Aufstellung der Tafel ist der erste Bereich davon jetzt in Betrieb gegangen. "Wir wollten erreichen, dass alle Anwohner die Vermittlung in Anspruch nehmen können, unabhängig davon, ob sie dies online oder offline ohne Computer oder Handy erledigen wollen", erklärt Michael Golze. Deshalb erhalten alle potenziellen Mitfahrer nach ihrer Anmeldung einen Schlüsselanhänger, mit dem sie sich direkt an der Tafel anmelden können. Zusätzlich ist dafür noch die Eingabe eines vierstelligen Codes (PIN) erforderlich, den der Nutzer ebenfalls erhält. Auf der Tafel werden alle Fahrten mit Zeiten, Treffpunkt, Zahl der freien Sitzplätze im Auto und Name des Fahrers – beziehungsweise Benutzername – angegeben. Die gleichen Informationen können auch im Internet abgerufen werden, und zwar unter der Adresse www.mitfahrtafel.de.
Vermittelt werden ausschließlich Fahrten, die von oder nach Melchow führen, so Michael Golze. Die Vermittlung selbst ist kostenlos, ob Fahrer und Mitfahrer untereinander einen Obolus für den Benzinverbrauch vereinbaren, bleibe ihnen überlassen. Gleichwohl kostet das Pilotprojekt Geld, etwa 50 000 Euro. Die Entwicklung der extra Anzeigetafel stellte dabei eine besondere Herausforderung dar, so Michael Golze, zum einen weil sie witterungsbeständig sein und zum anderen eine Bedienung per Berührung des Bildschirms ermöglichen sollte. Finanziell umgesetzt wird das Projekt durch eine Förderung vom Rat für Nachhaltige Entwicklung.
Die zweite Säule der Mobilität soll in wenigen Wochen realisiert werden. Wie Ronald Kühn sagt, beteiligt sich die Gemeinde an einem Car-Sharing-Projekt des Landkreises Barnim. Etwa im Juli soll ein Kleinbus-Elektrofahrzeug stationiert werden. Im Gegensatz zu einem Bürgerbus-System werden jedoch keine festen Routen zu bestimmten Zeiten gefahren. Vielmehr sollen die Fahrten ebenfalls über die neue Anzeigetafel vermittelt werden.
Der Kleinbus hat seitlich eine Schiebetür, ist bequem zu besteigen und kann auch problemlos einen Rollstuhl mitnehmen. Eine Ladesäule, die auch von anderen genutzt werden kann, und ein Carport werden noch aufgebaut – vis-a-vis der Bäckerei in Höhe der Anzeigetafel. "Es gibt schon drei Interessenten, die den Kleinbus zwei, drei Mal im Monat fahren würden", freut sich Ronald Kühn. Für die Anschubfinanzierung hat die Gemeinde im ersten Jahr 12 000 Euro bereit gestellt. Für den dauerhaften Betrieb wird an die Gründung eines Vereins, der dann einen Großteil der Kosten trägt, gedacht. Das hängt vom Erfolg des Systems ab. Eines steht für Ronald Kühn aber fest: "Mit der Mitfahrtafel haben wir eine ideale Anbieter-Software für den Kleinbus gefunden."