In Bernau waren Sinti und Roma über Jahrhunderte keine Fremden. Sie gehörten zur Stadt. Sie arbeiteten als Geigenbauer, Schausteller, Stellmacher, Händler oder auf dem Bau. Einige lebten in Wohnungen, viele aber auch in Wohnwagen auf einem Gelände am Bahnhof. Doch im Frühjahr 1943 wurde das Leben der Sinti und Roma in der Hussitenstadt ausgelöscht, ihre Spuren vernichtet.
Der Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, hatte im Dezember 1942 die familienweise Deportation der Sinti und Roma ins Vernichtungslager Auschwitz angeordnet. In Bernau wurde die Anordnung am 8. März 1943 umgesetzt. Polizisten nahmen die mehr als 60 in der Stadt lebenden Sinti fest, pferchten sie am Bahnhof in Zügen ein und deportierten sie über Berlin nach Auschwitz. Unter den Betroffenen waren viele Kinder.
Das Schicksal vieler Sinti in Bernau bleibt ungeklärt
Der Bernauer Soziologe Dieter Korczak hat das Schicksal der Betroffenen recherchiert, Dokumente unter anderem im Stadtarchiv ausgewertet. Seinen Recherchen zufolge kamen nachweislich 34 der in Bernau deportierten Menschen in Auschwitz ums Leben, 18 überlebten. Das Schicksal von zwölf weiteren ist bis heute unklar.
„Das Hab und Gut der Bernauer Sinti wurde nach der Deportation öffentlich versteigert. Wertvolle Gegenstände wie Schmuck und teure Geigen wurden von der Finanzverwaltung dabei zum Teil unterschlagen“, berichtet Korczak. Zurück nach Bernau kam niemand.
Reinhard Jacob au Panketal gestaltet Gedenkstein
Seit Dienstag erinnert auf dem Bahnhofsvorplatz eine in den Boden eingelassene Gedenktafel an das Schicksal der Sinti aus Bernau. Gestaltet hat sie der Panketaler Reinhard Jacob. „Bernau ist einige von wenigen Städten Brandenburg, die einen Erinnerungsort für die Sinti schaffen. Bis heute wird von vielen vergessen, dass dem Völkermord der Nationalsozialisten auch 500.000 Sinti und Roma zum Opfer fielen“, sagte Bürgermeister André Stahl (Linke) am Nachmittag bei der Enthüllung der Gedenktafel.
Die Gedenktafel aufzustellen, hatten die Stadtverordneten bereits im Jahr 2019 beschlossen. Ältere Bürger der Stadt, die sich aus Kindheitstagen noch an die Sinti erinnerten, hatten zuvor beklagt, dass dieser Opfer kaum gedacht werde. Brandenburgs Kulturstaatssekretär Tobias Dünow dankte der Stadt, dass sie sich ihrer eigenen Geschichte an einem solch zentralen Ort stellt. Stahl begründete den Standort damit, dass viele Sinti in Bahnhofsnähe gelebt hatten.
„Zeichen der Anerkennung“
Die Vorsitzende des Landesverbandes der Sinti und Roma Berlin-Brandenburg, Petra Rosenberg, betrachtete die Enthüllung der Gedenktafel als Zeichen der Anerkennung, „dass Sinti und Roma Teil dieser Stadt, ihrer Geschichte und ihrer Zukunft“ seien. „Wir gedenken hier der Familien, die in ihrer Heimat zu Fremden deklariert wurden, die Ausgrenzung und Rassismus von Nachbarn erleben mussten, die enteignet, deportiert und ermordet wurden.“
Petra Rosenberg beklagte in Bernau, dass die Ausgrenzung der Sinti und Roma nach 1945 kein Ende genommen habe. „Auch heute müssen wir mit Schrecken feststellen, dass Vorurteile gegenüber Sinti und Roma, einer der ältesten und größten Minderheit Europas, nicht abnehmen.“ Noch immer erlebten sie Diskriminierung, Ausbeutung und Entrechtung. Sie hoffe, dass die Gedenktafel auch ein Zeichen dafür sei, „im Blick auf die gemeinsame Geschichte kulturelle wie ethnische Differenzen zu überwinden, ohne sie zu verneinen.“
Die Enthüllung der Gedenktafel hatten zahlreiche Bernauerinnen und Bernauer begleitet. Viele legten weiße Rosen, Kränze und Blumen nieder.