Kernstück des Projektes ist die Mitfahrtafel, die in der Melchower Ortsmitte aufgestellt ist. Dort geben Autofahrer, die andere Anwohner aus Melchow mitnehmen möchten, ihre geplanten Fahrten an. Interessenten "buchen" die Mitfahrt. Diese Vermittlung ist kostenfrei, das Pilotprojekt wird vom Rat für Nachhaltige Entwicklung gefördert. Bestückt werden kann die Mitfahrtafel sowohl vor Ort als auch vom heimischen Computer aus. Zuvor ist lediglich eine einmalige Registrierung erforderlich.
80 Fahrten angezeigt
Rund 50 Nutzer haben sich in den zurückliegenden Wochen angemeldet. Dabei überwog die Zahl der Anbieter die der Mitfahrer, wie Martin Golze, Projektleiter der Umweltstiftung, sagt. Insgesamt wurden rund 80 Fahrten angezeigt. Für die Testphase von bislang einem Monat sei dieses Ergebnis zwar recht gut, allerdings sei das Ungleichgewicht zwischen Anbietern und Mitfahrern nicht zufriedenstellend. Als ein Grund wird vermutet, dass es sich in vielen Fällen um typische Pendlerfahrten am Morgen und am Abend handele, so Michael Golze. Ziel sei es daher, eine breitere Streuung über den Tag hinweg zu erreichen. Fahrten zum Einkauf oder Arzt könnten dann besser über die Mitfahrtafel abgedeckt werden.
Ein zweiter Grund für die bisherige Zurückhaltung bei den Mitfahrern liege vermutlich darin, dass in der Regel Hin-, aber keine Rückfahrten angeboten werden. Die Sicherheit , auch wieder nach Hause zu kommen, sei für die Mitfahrer wesentlich, so Golze. Um hier für Abhilfe zu sorgen, soll in Melchow eine Flutblattaktion gestartet werden. Auf dem Flyer werden Rückfahrangebote in Form von möglichen Anschlussfahrten des öffentlichen Personennahverkehrs angegeben. Die Aktion soll bereits in der nächste Woche starten. Die Informationen gehen an alle Haushalte.
Das System stößt auf reges Interesse. Neben zwei Fernsehteams – die Beiträge wurden allerdings noch nicht gesendet – gab es einen Austausch mit Bürgern bei einem Kaffeetreffen der Volkssolidarität, aber auch Vorträge in anderen Gemeinden. Wie Michael Golze sagt, wurden dabei verschiedene Ideen genannt, beispielsweise die Anregung eines Fahrers, der sich stärker für die telefonische Verabredung aussprach. Ein anderer Vorschlag zielt darauf, den Informationswert der Tafel noch zu erhöhen, beispielsweise durch die Angabe der Verkaufszeiten von fahrenden Fleischern oder Bäckern. Nicht zuletzt haben sich auch andere Mitfahrportale gemeldet. Mit ihnen wurde eine gemeinsame Auswertung am Ende des Pilotprojekts vereinbart. "Man muss das Rad nicht drei Mal erfinden, sondern kann auch gute Ideen zusammentragen", sagt Michael Golze. Ein Plus des Melchower Systems sei vor allem die einfache Handhabung, die keine Barrieren aufbaut. Um weite Wege zu der Tafel zu vermeiden, könnten auch an mehreren Stellen im Ort entsprechende Info-Stellen eingerichtet werden. Dies sei allerdings auch eine finanzielle Frage.
Ladestation ab September
Die Gemeinde Melchow strebt bekanntlich die Einbindung des Car-Sharing-Projekts vom Landkreis Barnim in die Mitfahrtafel an. Sobald vis-a-vis der Tafel eine Ladestation installiert sei, so Melchows Bürgermeister Ronald Kühn, werde auch das Elektrofahrzeug an der Station aufgestellt. Im September könnte dies der Fall sein. Die Ausschreibung für die Ladesäule läuft. Der organisatorische Rahmen für diese Vorhaben soll am Montag in der Hauptausschusssitzung (19 Uhr im Begegnungszentrum) noch ausgebaut werden. Dann geht es um die Gründung eines Vereins zur nachbarschaftlichen Hilfe, der dann auch Ansprechpartner für die ehrenamtlichen Fahrer des Elektromobils sei soll. Darüber hinaus befinden sich Gemeinde und Umweltstiftung im Austausch über Änderungen und Verbesserungen des Mit-Fahr-Systems.
Kommentar: Verkehrstest auf dem Land
Landauf landab gibt es gegenwärtig Versuche, um die Mobilität zu verbessern. Das gilt sowohl für städtische als auch für ländliche Bereiche. In Ballungszentren leiden Anwohner und Verkehrsteilnehmer gleichermaßen unter der Verkehrsdichte mit vielen zeit- und nervenraubenden Staus. In ländlichen Orten ist es genau umgekehrt. Dort fehlen die (Mit-)Fahrgelegenheiten. In beiden Fällen aber geht es darum, das jeweils "richtige" Verkehrsangebot zu finden, auszutesten. Elektromobilität auf zwei und auf vier Rädern ist im Kommen. Der E-Roller mag in Berlin-Mitte angenommen werden, aber es liegt auf der Hand, dass er für ländliche Gebiete wenig angebracht ist. Rufbusse sind zwar je nach Bedarf auf ihren Routen einsetzbar, bleiben aber an ihren Linienfahrplan gebunden.
Auch die Organisationsformen der Verkehrsangebote können ganz unterschiedlich sein. Vom öffentlichen Angebot der Busse und Bahnen über das privat-rechtliche Car-Sharing als besondere Form der Autovermietung über ehrenamtliche Angebote bis hin zu Verabredung von Arbeitskollegen, Freunden und Nachbarn reicht die Palette.
Welches Angebot sich an welchem Ort durchsetzt, ist offen. In Melchow läuft die Testphase. Wer jetzt mit dabei ist, beteiligt sich – bildlich gesprochen – an der Weichenstellung für den Verkehr von Morgen. Olaf Schröder