Es ist der erste Streik in seinem Leben. Doch obwohl er keiner Gewerkschaft angehört und damit nicht auf Verdienstausfall aus der Streikkasse hoffen kann, war es für ihn klar, dass er sich an diesem Ausstand beteiligen wird. Seit Beginn der Frühschicht gegen 4 Uhr steht Frank Schönfelder also am Dienstag vor dem Tor des BBG-Betriebshofes in Bernau – gemeinsam mit vielen seiner Kollegen, die an diesem Morgen normalerweise auch in die Frühschicht gegangen wären. Sie alle sind bei der Verkehrs Service Gesellschaft (VSG), einem Tochterunternehmen der Barnimer Busgesellschaft, als Busfahrer beschäftigt. Sie streiken für höhere Tariflöhne und eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.
Vier Stunden Wartezeit im Betriebshof sind normal
Es sei ja nicht nur die Tatsache, dass sie im Vergleich zu den Busfahrern in Berlin zwischen 400 Euro und 600 Euro brutto im Monat weniger in der Lohntüte hätten, sagt beispielsweise Sebastian Oehmicke. Wer wisse schon, dass ein Busfahrer in der Woche bis zu 60 Stunden arbeite und noch nicht einmal 39 Stunden bezahlt bekäme? Jörg Jaeger, seit 2012 bei der VSG, schildert ähnliches. Um 5.07 Uhr beginnt seine Schicht, um 16.37 Uhr endet sie. Die erste Tour fährt er einen Linienbus, von 6 bis 8.30 Uhr im Schülerverkehr. Dann wird seine Arbeitszeit für vier Stunden unterbrochen. Kollegen, die in der Nähe wohnen, fahren nach Hause. Die anderen warten die vier Stunden im Betriebshof, bis es mittags mit dem Schülerverkehr weitergeht.
Die Fluktuation bei der BBG und ihrer Tochtergesellschaft VSG ist hoch
Nicht zuletzt wegen dieser Bedingungen gebe es Probleme, Mitarbeiter zu finden, erzählen die Männer. Zurzeit fehlen acht Busfahrer allein am Standort Bernau. Zum 1. Oktober sollen zwar vier neue eingestellt werden. Doch die Fluktuation sei hoch, sagt Guido Bleeck. Er begann am 1. September 2008 bei der VSG. „Seitdem sind mindestens 45 Leute, die hier als Busfahrer angefangen haben, wieder gegangen“, schätzt er ein.
Der letzte Streik 2015 brachte 120 Euro brutto mehr
Bleeck ist Mitglied der Tarifkommission. „Monitär haben wir 95 Prozent der jetzt aktuellen BVG-Tarifliste bis Juni 2021 gefordert. Das wären rund 400 Euro Grundgehalt mehr – ohne Zuschläge“, erzählt er. Das wäre eine Tariferhöhung von rund 25 Prozent. Frank Wruck, der Geschäftsführer der BBG, habe ihn in einem Gespräch gefragt, warum so eine hohe Forderung? „Weil die letzten 20 Jahre so schlecht waren, habe ich ihm geantwortet“, sagt Guido Bleeck. Der letzte Streik der Busfahrer im Jahre 2015 endete mit 120 Euro brutto mehr Gehalt. „Viele waren stinksauer“, erinnert sich der Verdi-Mann.
Bernaus Bürgermeister plädiert für angemessene Löhne
Am späten Vormittag kommt Bernaus Bürgermeister André Stahl zum BBG-Betriebshof. „Streikmaßnahmen tun immer weh“, sagt er. Dennoch hat der Linke – bei allen Unannehmlichkeiten für Pendler und Familien – „volles Verständnis“ für die Streikenden. „Um einen vernünftigen Busverkehr im Barnim aufrecht erhalten zu können, brauchen wir angemessene Löhne für die Busfahrer“, findet der Rathauschef.
Wenige Busse sind am Streiktag im Einsatz
Der Familienvater hat seine drei Kinder an diesem Morgen mit dem Auto zur Schule gefahren, wie andere Eltern es auch taten. Viele schlossen sich zusammen und bildeten Fahrgemeinschaften. Vereinzelt waren auch Busse im Einsatz, wie am Barnim Gymnasium, wo die Schüler nach dem Unterricht in Richtung Ahrensfelde aufbrachen. Nach der Liste, die die Barnimer Busgesellschaft auf ihrer Internetseite veröffentlichte, sollten am Streiktag im Niederbarnim lediglich zwei Linien „teilweise“ bedient werden: die 868 (Bernau-Süd–S-Bahnhof Zepernick) und die 893 (Zepernick–Prerower Platz).