Kürzlich übergaben Claudia und Wolfgang Holler aus Berlin drei Tagebücher der in Auschwitz ermordeten Alice Bendix an Gabriele Helbig, Leiterin des Museums und Galerie Falkensee. Damit kehrten die drei Bücher fast auf den Tag genau 127 Jahre nach Bendix Geburtstag an den Ort ihres Wirkens zurück.
Alice Sara Bendix, geboren am 13. November 1894 in Landsberg/Warthe, übernahm im Jahr 1922 die Leitung im Landjugendheim Finkenkrug. Sie war ausgebildete Hortnerin und sorgte dafür, dass im Landjugendheim Kinderheimpflegerinnen ausgebildet wurden. Das Landjugendheim Finkenkrug war 1922 durch Anna von Gierke gegründet worden. Die Sozialpädagogin von Gierke baute gemeinsam mit Isa Gruner und Alice Bendix auf einem 15 Hektar großen Grundstück eine Erholungsstätte für Kinder auf.
Wegen jüdischer Abstammung entlassen
Im Jahr 1933 wurde Anna von Gierke aufgrund ihrer jüdischen Abstammung aller ihrer Ämter enthoben. Bis zu ihrem Tod 1943 half sie im Untergrund lebenden Juden. Auch Alice Bendix wurde wegen ihrer jüdischen Abstammung entlassen. Sie übernahm die Leitung des Antonienheims in München, einem Heim für jüdische Kinder. Alice Bendix hatte die Möglichkeit zu ihrem Bruder in die Schweiz zu fliehen, doch sie blieb. Von ihr ist der Satz überliefert: „So lange in Deutschland noch jüdische Kinder leiden, denen ich helfen kann, bleibe ich bei ihnen.“
1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet
1942 schließen die Nationalsozialisten auch das Heim in München. Am 13. März 1943 wird Alice Bendix mit den letzten sieben Kindern des Heimes nach Auschwitz transportiert. Im Todeslager wurde sie, wahrscheinlich gleich nach der Ankunft, ermordet. Am Havelländer Weg in Falkensee erinnert ein Gedenkstein. Eine Informationstafel erzählt vom Schicksal der drei mutigen Frauen.
In Finkenkrug jüdische Kinder versteckt
Isa Gruner führte das Landjugendheim weiter, versteckte in Finkenkrug Kinder jüdischer Eltern. 15 von ihnen sind namentlich bekannt. Eine von ihnen Christa Schmey. Gruner hatte sie in Finkenkrug versteckt, den Vater hatte sie schon lange vorher verloren, die Mutter wurde im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet. Nach dem Krieg ging Christa Schmey in Finkenkrug zur Schule. Ihre Mitschülerin Erika wird sich Jahre später an sie erinnern. Erika Paul, inzwischen verheiratet und im Ruhestand, sucht nach ihrer ehemaligen Mitschülerin und wird dabei auf die Geschichte des Landjugendheims stoßen. Sie schreibt ein Buch über den Ort und seine drei Heldinnen.
Ehemalige werden durch Buch auf Landjugendheim aufmerksam
Durch das Buch werden ehemalige Landjugendheim-Kinder auf sie aufmerksam. Oder Angehörige von Menschen, die einst dort arbeiteten. So auch Claudia Holler, Enkelin von Adolf Puchta, der als Verwalter im Landjugendheim tätig war. Vor etwa fünf Jahren fand Holler die Tagebücher auf ihrem Dachboden. Nun übergab sie die Bücher an Gabriele Helbig vom Museum Falkensee.
Tagebücher sollen ein halbes Jahr ausgestellt werden
„Eine große Bereicherung für das Museum“, sagt Helbig. Die Tagebücher werden für ein halbes Jahr die Ausstellung zum Landjugendheim ergänzen und in einer Vitrine ausgestellt. Länger sollten die Bücher dem Tageslicht nicht ausgesetzt werden, sagt Helbig. Eine Onlinepräsentation wird es voraussichtlich zum Anfang nächsten Jahres geben.