Es dauert nicht lang, dann sind Benny und seine Mutter ganz bei sich. Schäkern und necken sich, tauschen liebevoll zugewandte Blicke. Der Baum, den sie als Hintergrund und Begleitung für die Fotos auswählten, hält seine schützende Krone über sie. Die Zwei können sich an seinen Stamm anlehnen, beziehen ihn in die glücklichen Momente am See in Falkensee ein. Jenny Klestil sitzt im Gras, beobachtet, lacht, ermuntert und fotografiert. Für sich, ihre Ausstellung und die Familien, die sie damit ins Scheinwerferlicht stellt. Sie führt ihr Fotomodelle achtsam aus den Schatten ins Licht.

Rund 900 Familien sind dabei

2015, zum Welt-Down-Syndrom-Tag, begann Klestil mit ihrem ehrenamtlichen Projekt. Sie fotografierte Menschen mit der Chromosomenanomalie, die auch Trisomie 21 genannt wird. Allein und mit deren Familien, für das private Fotoalbum oder für ihre Ausstellung „Glück kennt keine Behinderung“. Rund 900 Familien haben sich an der Ausstellung beteiligt, die mit über 70 Ausstellungen die größte ihrer Art geworden ist. Die lebensbejahenden Fotografien wurden bisher in Deutschland, Österreich und der Schweiz gezeigt.

Das Leben feiern

Die Fotos sind nicht mit der üblichen Familiengalerie auf dem Kaminsims zu vergleichen. Klestil begleitet, möchte Momente des Lebens, des Glücks einfangen. Nicht sie, sondern ihre Fotomodelle geben den Takt vor. Klestil ermuntert, hält Momente fest, führt dabei die Kamera, die Regie haben die Fotomodelle. Die sollen sich wohlfühlen, ihre Freude will Klestil für die Ewigkeit einfangen. Über Behinderungen wird viel geschrieben, meist geht um die Dinge, die Menschen nicht können. Bei Klestil geht es nicht um Unvermögen, es geht um Freude. Und Lebensfreude, die können gerade Menschen mit Down-Syndrom vermitteln, wie kaum andere. Keine Masken, keine auferlegte Höflichkeit, Emotionen werden nicht versteckt, die Schönen, genauso wie die weniger Guten.

Sichtbar werden

Zum Fotoshooting am Falkenhagener See kommen sieben Familien zusammen. Sie haben gemeinsam Spaß und sie tauschen sich aus. Sie teilen dieselben Probleme, Formulare und Behörden, die wie ein Schatten durchs Leben begleiten. Schulen, auf deren Webseiten Integration versprochen und nicht gehalten wird.
Das im Mittelzentrum Falkensee noch immer keine durchgängige integrative Beschulung möglich ist, sondern Kinder in die deutlich kleineren Nachbargemeinden fahren müssen. Spielplätze, mal als nicht ausreichend zur Straße abgesichert empfunden, wie am Asternplatz, oder mit Spielgerät ausgestattet, dass nicht für alle Kinder und auch nicht für alle Altersgruppen geeignet ist. So wird eine Kleinkindschaukel schmerzlich vermisst. In der hätten auch Kleinkinder ohne besondere Ansprüche bestimmt ihren Spaß, ist sich die Beschwerdeführende Mutter sicher.

Der Zwang der Rechtfertigung

Neben dem was fehlt, kommt manches, was niemand hier braucht. Nicht eingeforderte Ratschläge zum Beispiel. Eine der Mütter erzählt von ihrer Schwangerschaft, in deren Verlauf sich zeigte, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom erwartet. „Obwohl ich deutlich gesagt hatte, dass Abtreibung für mich keine Option ist und ich darüber nicht mehr reden möchte, wurde ich bei jeder Untersuchung darauf angesprochen.“ Auch im Alltag müssen sich Eltern Sätze wie: „Warum haben sie sowas nicht wegmachen lassen?“ anhören. Wie reagiert man darauf? Was sagt man dazu? Die Mütter schütteln die Köpfe. „Nichts,“ kommt es zurück, was bleibt ist Sprachlosigkeit.

Von Kindern lernen

Doch warum über das Reden, was behindert, was einschränkt, über das Unvermögen? Herkel sagt, man könne sehr viel von Moritz lernen. Von seiner Gelassenheit, wenn es laut wird am Esstisch und er ihr ganz ruhig erklärt, dass sie da jetzt durchmüsse. Benny, sagt seine Mutter, habe einen siebten Sinn, ein untrügliches Gespür für die Stimmung und emotionale Verfassung der Menschen in seiner Umgebung. Geht es jemanden nicht gut, nutzt er dies nicht aus, er will trösten.
„Menschen mit Behinderung, dem Down-Syndrom, sollten wir als Basis der Gesellschaft ansehen. Sie führen nichts Böses im Schilde“, sagt sie. Um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen, ist sichtbar sein unverzichtbar, sind sich die Eltern der Kinder einig. Und das fängt am besten mit den Kindern an. Zu guter Letzt gibt es dazu eine kleine Anekdote, erzählt von einer der Mütter. „Als ein Kind gefragt wird, ob es in seiner Kita ein Kind mit Behinderung gibt, sagt es nein. Und dreht sich um und spielt weiter mit dem Mädchen, dass im Rollstuhl sitzt.“

Noch kein Termin für eine Ausstellung

Einen Termin für eine Ausstellung mit den einfühlsamen und lebendigen Fotos von Jenny Klestil gibt es derzeit noch nicht, Corona verzögert auch hier. Eine Foto-Auswahl kann aber auch der Homepage der Künstlerin angesehen werden. Hier können sich auch Interessenten für das Projekt melden.