"Den für dieses Buch ausgewählten Frauen ist eines gemeinsam: Sie haben, wie viele von Fontanes Frauengestalten, alle einen Knacks weg". Das schreibt der Dichter selbst und kann es auch erklären: "Der natürliche Mensch will leben, will weder fromm noch keusch noch sittlich sein. Davon fühlte sich Fontane angezogen. Er verliebte sich in seine Frauenfiguren nicht um ihrer Tugenden, sondern um ihrer Schwächen und Sünden willen".
Ein Theologe drückte das in seinem Vortrag kürzlich so aus: "Fontane hatte ein gebrochenes Leben und weil er so ein Leben hatte, konnte er seinen extravaganten Romanfiguren so ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Leben einhauchen". Dafür lieben Millionen Fontanes Bücher. Und nicht wenige identifizieren sich mit diesen unangepassten Frauen, weil sie keine Kunstprodukte ohne "Echtheit und Natürlichkeit" sind. So beschreibt es Rauh in seinem Buch.
Der 1967 geborene Robert Rauh ist Historiker, Lehrer und Seminarleiter in Berlin. Er studierte Archivwesen an der Humboldt-Universität zu Berlin und danach Lehramt für Geschichte und Germanistik an der Freien Universität. Er arbeitet als Herausgeber von Lehrbüchern. 2013 erhielt er den Deutschen Lehrerpreis und setzt sich für Bildungsreformen ein. Von ihm erschienen 2017 "Fünf Schlösser" (gemeinsam mit Erik Lorenz), 2018 "Fontanes Frauen" und in Kürze "Fontanes Ruppiner Land". Auf die Frage eines Zuhörers, ob er denn auch weiter schreibt, z. B. "Fontanes Havelland", meldete er Zweifel an. Inwieweit sich Fontane-Bücher auch nach dem Fontane-Jubiläum verkaufen würden, sei doch ungewiss.
In der Alten Schule in Ribbeck las er aus "Fontanes Frauen". Er reiste an die Originalschauplätze von Effie Briest, Martha Fontane, Grete Minde, Karoline de La Roche-Aymon und Charlotte von Arnstedt. Den Zuhörern stellte er frei, welches Frauenschicksal sie in dieser Lesestunde verfolgen wollen. Die Runde entschied sich für die Letztere - die "Krautentochter". "Aber von ihr, die hier auf ein paar Jahrzehnte hin ein poetisches und fast märchenhaft phantastisches Leben hervorzuzaubern wusste, von ihr erzählen sie noch". So schrieb Fontane über die Krautentochter in seinem Buch "Fünf Schlösser" 1889.
Ihr ganzes Leben und Lieben vor der Ribbeckerrunde auszubreiten, hätte die Vortragszeit gesprengt. Charlotte von Arnstedt, geborene von Kraut, war dreimal verheiratet. Robert Rauh beschränkte sich im Vortrag auf die ersten beiden Ehen. Noch bevor die Krautentochter ins heiratsfähige Alter kam, begann ihre Mutter nach einem geeigneten Ehemann zu suchen. Ihre Wahl fiel auf den englischen Gesandten in Berlin, Hugh Elliot. Die Mutter rechnete damit, dass dieser irgendwann als Diplomat an einen weit entfernten Hof versetzt werden würde und sie wäre dann Herrin über die Güter der Tochter.
Aber die Ehe war nicht glücklich. Elliot war krankhaft eifersüchtig. So beschuldigte er den holländischen Gesandten der Liebschaft mit seiner Frau. Diese wurde durch diesen Vorwurf von der Hofgesellschaft geschnitten. Getröstet hat sie der Kammerherr Baron Georg von Knyphausen. Als Elliot als Gesandter nach Kopenhagen versetzt wurde, wurde Knyphausen der Beschützer der Krautentochter. Ihre Mutter informierte ihren Schwiegersohn darüber, der forderte den Baron zum Duell. Die Ehe wurde geschieden, die Krautentochter wurde Baronin von Knyphausen. Der Baron starb früh und sie heiratete ein drittes Mal und wurde Frau Rittmeister von Arnstedt.