Zahlreiche Kunstwerke aus der Region ließen sich kürzlich beim Europäischen Tag der Restaurierung und Tag der offenen Tür von Akanthus Restaurierungen in der Coppistraße von Eberswalde betrachten. Die Flötenuhr aus dem Schloss Lichterfelde stach heraus. Eine Uhr, in der viele Besonderheiten sowie 300 Jahre preußischer und märkischer Geschichte stecken. Die weiße, schmuckvoll verzierte hohe Standuhr wurde sogar Thema einer Bachelorarbeit. "Ich bin eigentlich eine Orgelbauerin und habe nach einem Objekt gesucht, das auch, wie Orgeln, mit Flöten zu tun hat", sagt die Autorin Katja Schneider. Bei der Themensuche stieß sie vor zwei Jahren auf einen Artikel über die Lichterfelder Uhr im Eberswalder Jahrbuch und kontaktierte den Verfasser  Eberhard Roller von der Firma Akanthus.
Zu hoch fürs Atelier
Roller restauriert seit 40 Jahren und fand die imposante Uhr vor mehr als zwei Jahren im Depot des Eberswalder Museums. "Ich war nur wegen einer kleinen Sache im Depot, nicht wegen der Uhr", betont er. Doch dann fiel ihm eine Besonderheit auf: "Es gibt noch Uhren, die viel teurer sind, aber eine, die so groß ist, habe ich noch nicht gesehen – und die anderen Fachleute auch nicht."
Mit 3,60 Metern Höhe hebt sich dieses Zeitmessgerät von anderen ab. Selbst Uhren des selben Erbauers, auf die der Restaurator im Zuge seiner Recherche stieß, waren niedriger. Da sie nicht unter die Decke des Ateliers passt, sitzt die Spitze nicht oben auf, sondern steht daneben. Der Fachmann zeigt sich zudem beeindruckt von der "auf die Spitze getriebenen Pracht der schweren Dekorationen".
Neben Eberhard Roller trug auch der damalige Lichterfelder Ortsvorsteher Dietrich Bester Informationen zusammen und hat einen Text über den Gutsbesitz in seinem Ort veröffentlicht. "Das war reiner Zufall", sagt Roller. Gemacht wurde die Uhr von einem der Hofuhrmacher Friedrichs des Großen, Louis George, wohl um 1770 bis 1780. "Damals war so ein Stück enorm teuer und ein kleiner adliger Gutsbesitzer in Lichterfelde konnte sich so etwas nicht leisten", erklärt der Restaurator. "Es gab damals am preußischen Hof noch deutlich anspruchsvollere Uhren als diese, deren Preis wir leider nicht kennen.  Belegt ist aber, dass Friedrich II. selbst im Jahre 1771 genau diesem Uhrmacher für eine Uhr 450 Reichsthaler bezahlte, damals ein Vermögen".
Ein Schloss von Papa
Gekauft wurde die Uhr deshalb nicht vom Adel, sondern gelangte mit dem Besitzerwechsel des Schlosses Lichterfelde dorthin. Das hatte der erste preußische Großkapitalist David Splitgerber 1760 erworben, der unter anderem Mitbegründer des Messingwerkes war und sein Geld vor allem mit Rüstungsgütern machte. "Papa kauft dem Sohn ein Schloss auf dem Land, damit aus ihm was wird", so müsse man sich das vorstellen, meint Eberhard Roller. Der Sohn, der ebenfalls David hieß und später geadelt wurde, richtete sich das Schloss prunkvoll ein. Dabei fiel die Wahl auf die Flötenuhr.
160 Jahre befand sie sich im Schloss, bis 1945 die Rote Armee kam. "Sie gab das Schloss zur Plünderung frei, da dort Nazis drin waren", berichtet Roller. Vieles, darunter auch eine große Waffensammlung, wurde geklaut. Die Uhr gelangte auf verschlungenen Wegen 14 Jahre später ins Eberswalder Museum. Laut Restaurator handelt es sich um ein bedeutendes Zeugnis der Kultur- und Regionalgeschichte sowie der beginnenden Industrialisierung. "Und sie ist ein Dokument der Technikgeschichte, da man mit diesem kunstvoll gearbeiteten Werk Melodien abspielen konnte", betont er. "Drin hätte eigentlich ein Flötenwerk sein müssen und ich habe gehofft, es zu finden", bedauert Katja Schneider. Es verschwand vermutlich im Zuge der Plünderung.
Der Zeitmesser muss ohnehin restauriert werden, doch das kostet. "Unsere Schätzungen gehen bis zu 40 000 Euro", macht Roller deutlich. Bereits in seinem Jahrbuchartikel betont er, dass eine Restaurierung ohne eine engagierte Spendenkampagne nicht möglich sein werde. "Ich habe vor ein paar Wochen mit dem Bürgermeister von Eberswalde gesprochen. Die Stadt kann die Kosten nicht übernehmen", erklärt der Restaurator das Problem. Lediglich das Museum Eberswalde bezahlte bisher 1100 Euro für das Labor zur Untersuchung des Gegenstandes.