Fragt man in der Straße in Woltersdorf nach dem Mann mit dem Leierkasten, dann wissen fast alle, wo sein Haus zu finden ist. Bisweilen dreht Eddin Mahlke die Kurbel auch zu Familienfesten bei Nachbarn und lässt aus seinem Schatz von 50 Musikrollen, auf der jeweils ein bis fünf Lieder sind, das erklingen, was sie am liebsten mögen. "Ich habe querbeet alles, vom Kirchenchoral bis zu Rock, vor allem aber Altberliner Lieder, wie ‚Denkste denn, du Berliner Pflanze‘ und ‚Zeckenschulze in Bernau‘", ist er stolz. "Viele Leute kennen den Text und singen mit."
Der 76-Jährige ist in Berlin-Schöneberg aufgewachsen und hat es als Kind erlebt, wie die Leierkastenmänner, oft Kriegsversehrte, mit gemieteten Instrumenten durch die Hinterhöfe gezogen sind. "Der Leierkasten galt als Bettelinstrument, auch schon für Kriegsversehrte aus dem Ersten Weltkrieg", weiß Eddin Mahlke. Die Kinder zogen mit durch die Höfe und lasen für die Leierkastenmänner das aus den Fenstern geworfene Geld auf. "Daran habe ich mich mein ganzes Leben lang erinnert, wenn ich eine Drehorgel gehört habe", erzählt er.
Sich selbst ein so teures Instrument zu kaufen, kam ihm jedoch erst in den Sinn, als sein Rentnerdasein nahte. Das war vor zehn Jahren, als er in Spreenhagen wohnte. Mit Ehefrau Anne-Marie besuchte er regelmäßig das jährliche Berliner Drehorgelfest im Juni, bei dem es in einem langen Zug über den Kurfürstendamm geht. "Ursprünglich wollte ich nur so für mich spielen, aber dann dachte ich: Warum nur zuschauen? Und er beteiligte sich selbst und trat mit seiner Frau, die inzwischen eine eigene Drehorgel hat, in den Verein "Internationale Drehorgelfreunde Berlin" ein. Beide treten auch als kurbelndes Paar auf. Vor zwei Jahren haben sie mit ihren Instrumenten beim Woltersdorfer Schleusenfest Musik gemacht. Auch im Altenheim in Woltersdorf haben sie schon gespielt. "Das ist das Schönste für mich: Das Lächeln der alten Leute, zu sehen, dass sie sich freuen und auch mal mitsingen", sagt Eddin Mahnke. Dabei spielt er nicht so drauf los, sondern: "Ich muss immer gucken, mich rantasten, was das für Leute sind und was sie hören wollen", sagt er.
Eddin Mahlke hat Kaufmann gelernt und ist in der Immobilienbranche tätig gewesen. 1967 trat er in den Postsportverein ein, um dem Schießsport nachzugehen. "Ich war und bin von der Technik fasziniert und von der absoluten Körperbeherrschung, die nötig ist", begründet er sein Hobby, das er noch heute ausübt. "Hinstellen und peng machen, das geht dabei nicht so wie bei der großen Scheibe auf dem Rummel. Man muss schon lange üben." Ihn hat es aber immer aus Berlin weggezogen ins Ländliche. "Ich habe die Großstadt satt gehabt."
1974 wählte er Wernsbach bei Ansbach in Franken, denn laut Wetterdienst war dort damals die sauberste Luft – keine Industrie, viel Grün. Wollte Eddin Mahlke anfangs "nur ein bisschen schießen", so erwachte hier sein Ehrgeiz, und er trainierte ernsthaft für Wettkämpfe. Ein dicker Ordner mit Urkunden und viele Pokale zeugen von seinen Erfolgen.
Auf Tour durch Brandenburg
Mit einem Kompagnon machte sich der Immobilienkaufmann selbstständig und ging wieder nach Berlin, diesmal Reinickendorf. Nach Öffnung der Grenze zog Eddin Mahlke mit zwei Kumpeln durch Brandenburg auf Erkundungstour. Dabei landete er im Armeesportclub Strausberg und bildete mit einem Oberst und einem Oberstleutnant "die stärkste Mannschaft weit und breit, einen Angstgegner", schmunzelt er. Weil in Strausberg aber der Schießplatz nur Kleinkaliber zuließ, ging er parallel dazu über drei bis vier Jahre – manchmal am gleichen Tag – zum Schützenverein Spreenhagen, wo er Großkaliber schießen konnte.
Schließlich zog das Ehepaar nach Spreenhagen, und Anne-Marie trat ebenfalls in den Spreenhagener Verein ein, in dem beide noch immer Mitglied sind. Sie wurde sogar einmal Deutscher Meister in Klein- und Großkaliber, während Eddin Mahlke es zweimal schaffte. Er hat zeitweilig als Pistolenreferent Mitglieder trainiert und die Wettkampfanmeldung übernommen. Beide gehen gern mit Gruppen des Vereins auf touristische Reisen und beteiligten sich an Wettkämpfen in Fürstenwalde, Cottbus, Frankfurt, Berlin-Wannsee und Philippsburg. In der Regel ist das Paar nach wie vor das ganze Jahr über fast jede Woche bei jedem Wetter an der Schießanlage in Spreenhagen zu finden.
Aus gesundheitlichen Gründen hat sich Eddin Mahlke jedoch nun aus dem aktiven Wettkampfbetrieb zurückgezogen. Er will nur noch auf Vereinsebene mitmachen, vielleicht auch mal zu Bezirksmeisterschaften. Das Drehorgelspielen aber betreibt er nach wie vor ohne Einschränkungen.