Als alles begann, hatte Grzegorz Podruczny die Reste von Schanzen in der Gegend von Kunowice gefunden, das früher Kunersdorf hieß und fünf Kilometer vor Słubice liegt. Seitdem brachten Grabungen 11 000 Relikte zutage: Gewehrkugeln, Artilleriegeschosse, Waffenteile, Knöpfe von Uniformen und einmal das Grab eines russischen Grenadiers. Die Suche nach dem vermuteten Massengrab blieb aber erfolglos. Allein 8000 Getötete auf Seiten der von Friedrich II. angeführten Regimenter, mehr als 4000 Tote und Vermisste auf Seiten der gegnerischen, letztlich siegreichen russisch-österreichischen Armeen, zehntausende Verletzte – irgendwo müssen die Opfer der brutalen zweitgrößten Schlacht des Siebenjährigen Krieges doch geblieben sein?
Am 6. März dann stieß Marek Sterenczak, der an einem Häuschen baut, in der lehmigen Baugrube in den "Grünen Hügeln" am Südostrand von Słubice auf alte Knochen. Der gewissenhafte Bauherr rief die Polizei. Diese rief Podruczny an. Der Mann mit dem roten Bart und der blauen Mütze ist stadtbekannt für seine Kunersdorf-Grabungen. Nachdem der Denkmalschutz sein OK gab, hatte Podruczny ein Team zur Stelle: Wissenschaftler aus Wrocław und Stettin und freiwillige Helfer von lokalen Geschichtsvereinen aus Sulęcin, Gorzów und vom Verein "Tempelburg" aus Czaplinek. Auch aus Frankfurt kamen zwei freiwillige Helfer, erzählt er. Orchestriert hat die mit Spachtel und Pinsel ausgestatteten rund 20 Grabenden der Archäologe Krzysztof Socha vom Festungsmuseum Küstrin.
Es wurden zehn Tage Feldarbeit, die am Freitag zu Ende gingen und deren Stand man auf Facebook verfolgen konnte. "15 Tote, das ist der jetzige Stand", resümiert Podruczny. Die Zahl könne sich noch ändern. Die Knochen werden jetzt genetisch in der Medizinischen Universität Stettin untersucht. Eng lagen die Skelette, manche waren nicht vollständig. "Einem fehlte die Hand", sagte Podruczny. Es könne auch sein, dass Körperteile einzeln in das Grab geworfen wurden. Außerdem wurden geborgen: 17 Karabinergeschosse, 292 Knöpfe, meist von Uniformen, drei Münzen, darunter ein holländischer Dukat und ein bayrischer Kreuzer, und ein Siegel. Dass es nicht mehr Dinge sind – für Podruczny Zeichen dafür, dass die Toten ausgeraubt wurden, bevor man sie beerdigte.
Es ist nicht das Grab, das der Historiker Jahre lang suchte, denn das befindet sich zwei Kilometer von der jetzigen Fundstelle entfernt und beherbergt Russen. In diesem seien es in der Mehrzahl Preußen. Das lesen die Forscher an den Uniformknöpfen ab. Außerdem sei mindestens ein Österreicher unter den Toten – also ein Feind. Gefunden haben sie auch russische Knöpfe, doch sei nicht sicher, ob diese wirklich zu den Toten gehören. "Sie könnten auch geraubte Kleider angehabt haben", so Podruczny. "Der Krieg bringt eben Chaos."
Der Fund wirft bisher Bekanntes über den Haufen. Nicht nur, weil entgegen den Überlieferungen Feinde in einem Grab liegen, Podruczny vermisst auch das Schlachtfeld neu. Der Fund zeigt, dass die Preußen in ihrer Offensive am 12. August 1759 mindestens einen Kilometer weiter vorgerückt sein müssen als angenommen. Schritt für Schritt korrigiert der Historiker die Hauptquelle für die Schlacht: den 11. Teil des mehr als 100 Jahre alten "Generalstabswerks".
Podruczny träumt davon, ein mehrsprachiges Museum für die Schlacht von Kunersdorf einzurichten. "Ich bekomme viele Reaktionen auf meine Arbeit auch aus Deutschland und Russland. Denn die Schlacht ist international bedeutend. Der Siebenjährige Krieg reichte bis nach Kanada und Indien", sagt er.
Dieses Jahr wird es erstmals eine kleine Ausstellung von Fundstücken geben, für die die Stadt Geld bereitstellt. Die gefundenen Gebeine der Soldaten sieht Podruczny aber nicht im Museum: "Menschlich richtig finde ich es, sie mit einer entsprechenden Information beizusetzen."