Von einer, die das Gespräch mit den Menschen suchte, mit Schülern, Unternehmern und "komplizierte Dinge uns in einer verständlichen und logischen Art und Weise nahebrachte", so Włodek. Letztlich wurde offenbar das Caban-Korbas zum Verhängnis.
Nachdem die Amtsärztin Polens ersten Corona-Patient in Cybinka in ihrem Kreis am 4. März diagnostiziert und ins Krankenhaus überwiesen hatte, berichtete sie in einer berühmt gewordenen Krisenstabssitzung über die angsterfüllte Lage in dem Städtchen, das aussehe "als ob die Borkenkäfer es aufgefressen hatten", informierte mit Blick auf mögliche Ansteckung, der Patient lebe "in getrennten Haushälften mit Ex-Frau und Sohn". Sie empfahl den verunsicherten Bürgern: "Spuckt nicht. Küsst euch nicht" und sang zum Abgang einen Schlager an – ein typischer Caban-Auftritt, sie liebt die Bühne. Nur dass die Online-Übertragung des Lokalsenders HTS soviel geklickt wurde, dass die Amtsärztin mit der großen weißen Brille über Nacht im Land bekannt wurde. Was ihr Schmunzeln, Lob, aber auch Kritik einbrachte. Der Chef der Gesundheitsbehörde forderte ihre Absetzung.
Beim Abschied im Landratsamt verlor darüber niemand mehr ein Wort. Der einzige Hinweis auf das abrupte Ende nach 28 Jahren im Amt war das Geschenk: Gerahmt wurde ihr das Interview überreicht, das kürzlich in der Zeitung "Fakt" erschien, quasi der polnischen Bildzeitung. Überschrift: "Ich fange ein neues Leben in Warschau an". Caban-Korbas äußert sich darin befreit und versöhnlich nach den Querelen im März. "Ich mache niemandem einen Vorwurf", sagte sie. Nun ziehe sie eben drei Jahre früher als geplant in die Hauptstadt. Das Geschenk zeigte: Man steht zu Caban-Korbas’ Schrulligkeit – ja, ist stolz auf sie.
Mehr Hintergründe:
Cabanka nennt man sie
"Sie ist eine, die manchmal einen Schalk im Nacken sitzen hat", sagt ihr Amtskollege Oliver Fahron. Ihren Job habe sie jedoch sehr ernst genommen, wie Fahron von ihrem Umgang mit Schweinepest und Vogelgrippe in Erinnerung hat. Caban erinnert sich gern an die Arbeitstreffen beim Frankfurter Gesundheitsamt, wo es immer "tolle Schnittchen" gegeben habe. Sie wünsche den Frankfurter Freunden alles Gute, sie mögen auf sich aufpassen, teilt sie mit. Sie werde sich nicht weiter verabschieden, von niemandem. Schon der Akt im Landratsamt sei ihr schwer gefallen.
Jadwiga Caban-Korbas sagt das bei einem Kaffee in ihrer Wohnung am Oderufer, gelegen zwischen dem Gesundheitsamt (Sanepid), und dem Krankenhaus, wo sie vor 1992 tätig war. Das Wohnzimmer ist voller Kunstwerke, die sie auf Reisen mit ihrem Mann sammelte, einem Rechtsanwalt, den sie 1978 kennenlernte als sie frisch in die Grenzstadt gezogen war. Gern geht sie mit dem kleinen Hund auf dem Deich spazieren, wo Bekannte "Cabanka" grüßen, wie sie liebevoll genannt wird. Wäre sie normal 2023 in Rente gegangen, hätte sie wohl alle eingeladen. überlegt sie. "Ich will nicht in der Wunde kratzen." Die Worte kommen ein wenig überraschend. Ihre "15 Minuten Ruhm" hatte sich Caban doch anders vorgestellt, trotz der Solidarität, die sie erfuhr, "Als ich zum Krisenstab kam, dachte ich kurz: Was macht das Fernsehen denn hier?", erinnert sie sich. Aber sie verdrängte es schnell: Es sind ja unsere Słubicer Reporter. Eingeladen vom Landrat. Von der Dynamik des Internets wurde Caban dann völlig überrascht.
Die Epidemiologin bereut keines ihrer Worte. "Alle in Cybinka kannten den Mann. Es war richtig, zu beruhigen und aufzuklären, wie es um die Ansteckungsgefahr stand." Das Gut des Individuums habe hier zugunsten des Allgemeinwohls zurückstehen müssen. "Schauen sie nach Südkorea!", sagt sie. Der Patient aus Cybinka, der das Virus aus dem Pandemie-Hotspot Heinsberg mitbrachte, nachdem er, laut Caban-Korbas, aus der Quarantäne aus Deutschland abgehauen war, pochte auf sein Recht und erstritt sich von ihr noch eine Schadensersatzzahlung. Tatsächlich kann man die Vorwürfe gegen Caban aufgebauscht finden im Vergleich zu dem, was mancher Bürgermeister über seine ersten Coronafälle sagte. Im heftig polarisierten Polen werden politische Motive auch bei jeglicher Personalie von Menschen und Medien mitgedacht – es heißt, ein Halbsatz aus Cabans Rede wurde PiS-feindlich interpretiert.
Gekündigt hat sie selbst
Landrat Leszek Bajon hielt öffentlich die Hand über sie. Słubicer hängten ein Banner auf – für sie "der schönste Dank". Doch seit dem 15. März gelten neue Vorschriften, die Kreis-Gesundheitsämter sind nun der Amtsärztin der Wojewodschaft unterstellt. Mit ihr kann Caban-Korbas nicht. Schon am Tag drauf kam die Kündigung. Aber Caban saß krank zuhause mit einem dicken Hals. Bevor jemand ihren Stuhl absägt, sei sie lieber selbst gegangen, sagt sie. Bis zum Umzug dauert es noch ein wenig. Warschau, wo ihre Tochter lebt, war schon lange ihr Plan. Sie freut sich auf Theater, auf die Oper. Auf Sommer in den Bergen. Caban-Korbas bekam auch einige Job-Angebote. Wahrscheinlich wird es etwas mit Werbung in der Gesundheitsfürsorge.