"Halt!", ruft er Fußgängern nach, die derweil auf dem Bürgersteig vorbeimarschieren. Mit großen Schritten hastet er zu ihnen, hält auch ihnen das Gerät an. Zwei Sekunden. Piep. Ein Blick auf die Anzeige. "Okay", er hastet weiter. Seine Kolleginnen und Kollegen von Polizei und Grenzschutz, drei für die Fußgänger, drei für die Autos sind in normalen Uniformen und mit Mundschutz unterwegs, lassen sich Arbeitgeber-Bescheinigungen und Dokumente zeigen und sammeln die händisch ausgefüllten Kontaktformulare ein.

Statt Schließung kamen in Frankfurt die Pkw

Die Autofahrer, meist mit polnischen Kennzeichen, wirken entspannt. Die Schlange reicht gegen 16 Uhr bis hoch zum Liebknecht-Gymnasium. Ein bis zwei Stunden Wartezeit – im Vergleich zur A12, wo sich die Fahrzeuge fast bis zum Berliner Ring stauen, ist das ein Spaziergang. Ein Sindbad-Reisebus wartet in der Schlange. Auch einige Lkw versuchen ihr Glück durch die Stadt, doch sie werden bereits an der Karl-Marx-Straße von einem Polizisten zurückgeschickt. Es ist spürbar, dass sich deutsche und polnische Polizei nach dem Verkehrschaos der vergangenen Tage endlich verständigt hatten. Pkw, Busse und Kleintransporter wurden in Briesen von der Autobahn zum Grenzübergang Słubice geleitet. Swiecko ist ab sofort nur noch für Lkw passierbar.
Am Dienstagabend war die Entscheidung aus Warschau gekommen, die Fußgängerübergänge wieder für Pkw zu öffnen – unter Beibehaltung der Einreiseverbote für die meisten nichtpolnischen Staatsbürger. Dabei hatte Słubices Bürgermeister Mariusz Olejniczak zuvor Alarm geschlagen, der gestiegene Grenzverkehr erhöhe das Infektionsrisiko. Er plädiere für eine Schließung.
Doch während die aufgeregten Online-Kommentarforen überkochten, scheint die Stimmung auf der Straße in Słubice gelassener. "Tja, was sollen man dazu sagen", sagen drei ältere Männer, die von einer Bank am Deich aus die Grenzkontrollen beobachten. Verständlich, die Leute wollten raus aus dem Stau auf der Autobahn und nach Hause, sagen sie. "Für die Berufspendler sollten sie die Grenze schließen", sagt einer der drei, der selbst in Ludwigsfelde bei Berlin arbeitet. Bis 2. April braucht er nicht zur Arbeit kommen, ohne Urlaub zu nehmen. "Aber sehen Sie, bei Zalando gab es schon drei Corona-Fälle und da wird weiter gearbeitet", sagt er. Bei dem Berliner Online-Versandhandel sind viele Pendler aus dem polnischen Grenzland beschäftigt. Auf das Dilemma der Berufspendler hatte Bürgermeister Olejniczak in seinem Brief an den Wojewoden hingewiesen. Er bat um finanzielle Hilfen für den Verdienstausfall und forderte zum Schutz vor Ansteckung die ausnahmslose Grenzschließung. Der Briefkopf enthielt wie gewöhnlich das Logo der Doppelstadt "Słubice Frankfurt (Oder). Ohne Grenzen".
Die Stadtspitzen von Frankfurt und Słubice tauschten sich erst am Mittwoch über die aktuelle Situation in ihren Städten per Videokonferenz aus. Sie wollten das nun einmal die Woche tun, teilten René Wilke und Mariusz Olejniczak mit. Beide Stadtverwaltungen erreichten zurzeit Informationen von besorgten polnischen Arbeitnehmern, die befürchten, in der jetzigen Situation von ihren deutschen Arbeitgebern entlassen zu werden. Die beiden Bürgermeister appellieren an Firmen, ihre Mitarbeiter in dieser schwierigen Zeit weiterhin zu unterstützen.