Mit Bangen und Ungeduld fieberte Polen seinem ersten Coronavirus-Fall entgegen. Am Mittwoch war es dann soweit, ausgerechnet ein Mann aus dem Kreis Słubice wurde positiv getestet und im Krankenhaus Zielona Góra isoliert. Dem Mann gehe gut. Landrat Leszek Bajon bekräftige am Donnerstag, er sei im ständigen Kontakt mit dem Gesundheitsminister und mit dem Lebuser Wojewoden, es habe sich nach Untersuchung weiterer Verdachtsfälle nichts geändert, ein Infizierter – nicht mehr. "In den Kreisgemeinden wurden Krisenstäbe gebildet. Alle zuständigen Dienste arbeiten korrekt, alle Abläufe werden eingehalten", so Bajon am Donnerstag.
21 Menschen unter Quarantäne
14 Personen aus Słubice, 3 aus Górzyca und 4 aus Cybinka wurden unter häusliche Quarantäne gestellt, auch wenn sie keine Symptome zeigten. Zwei Familien wurden laut dem Portal slubice24.pl isoliert, die das Spaßbad "Tropical Islands" vergangene Woche besucht hatten, wo sich eine infizierte Person aufhielt. Ob die Mitfahrenden aus dem Fernbus darunter sind, mit dem der infizierte Mann vom Karneval in Nordrhein-Westfalen bis zum Buskreuz Swiecko reiste? Eine Antwort hätte sicherlich Słubices stets ansprechbare Direktorin des "Sanepid" erteilt, quasi die Amtsärztin des Kreises. Am Donnerstag aber verwies ihre Mitarbeiterin sofort nach Gorzów zur Wojewodschaftsebene, wo kein Durchkommen war. Das hatte seine Gründe.
Denn jene Słubicer Amtsärztin war das eigentliche "erste Corona-Opfer", wie eine Facebook-Kommentatorin feststellte. Jadwiga Caban-Korbas, seit fast 30 Jahren Słubices Amtsärztin, ist Polens Frau der Stunde. Ihre 15 Minuten Ruhm hatte sie sich wahrscheinlich anders vorgestellt. Der vom Lokalfernsehen HTS live übertragene Auftritt der extrovertierten Epidemiologin beim Treffen des Krisenstabs am Mittwoch in Słubice wurde im ganzen Land verfolgt und in den sozialen Medien breit kommentiert. Die einen lobten sie für ihre konkreten und freimütigen Worte, andere fanden den Auftritt unangemessen.
Amtsärztin: Ruhe und Gelassenheit bewahren
In gewohnt unterhaltsamer Form schilderte Jadwiga Caban-Korbas den Corona-Fall aus der Kreisgemeinde Cybinka und rief dazu auf, Ruhe und Gelassenheit zu bewahren. "Küsst niemanden, der ansteckende Symptome zeigt und nicht euer Ehemann ist. Und vielleicht auch den Ehemann nicht", riet die Ärztin mit einem Augenzwinkern. Corona sei dem Grippe-Virus ähnlich, "nur dass er neu ist und wahrscheinlich von Tieren kommt", so Caban-Korbas weiter. Und "Cybinka sieht aus als sei es vom Borkenkäfer gefressen worden (...) Es ist nichts passiert, verhalten wir uns normal!", appellierte die Ärztin.
Prompt teilte die übergeordnete Sanitär-Behörde in Warschau am Donnerstag öffentlich im sozialen Netzwerk Twitter mit, das Verhalten der Słubicer Amtsärztin sei "nicht akzeptabel" und forderte vom zuständigen Landrat ihre Abberufung. Der Hauptgrund offenbar: Caban-Korbas hat im Eifer des Gefechts zuviel aus dem Leben des Patienten geplaudert, etwas dass der Mann in einem Haus, mit getrennten Wohnungen mit Sohn und Ex-Frau lebe, den nur knapp 3000 Einwohner zählenden Wohnort nannte. Auch Polens Beauftragter für Patientenrechte meldete sich zu Wort: "Unzulässig" seien die Aussagen und "Patientenrechte verletzend" und forderte vom Słubicer Landrat Konsequenzen.
Landrat Leszek Bajon, Mitglied der oppositionellen Bürgerplattform, reagierte schnell und stellte sich vor seine Amtsärztin: "Die Aussagen disqualifizieren keineswegs die Kompetenzen einer Mitarbeiterin mit fast 30 Jahren Erfahrung. Natürlich sind wir im Gespräch mit Frau Caban-Korbas, aber unüberlegte Personalentscheidungen unter Druck und unter den Umständen, in denen sich der Kreis wegen des Auftretens des Coronavirus befindet, wären nicht angebracht", ließ er mitteilen. In sozialen Netzwerken verteidigten viele die Ärztin. Sie habe doch nur in verständlichen Worten die Wahrheit gesagt, schrieben manche. Es gründete sich sogar eine Facebook-Gruppe, die "Unterstützerfront für Pani Jadwiga".
Möglicherweise ist die Sache für Jadwiga Caban-Korbas noch nicht ausgestanden. Denn am 15. März tritt ein neues Gesetz in Kraft, dann werden Amtsärzte nicht mehr vom Landrat berufen, sondern vom Amtsarzt der Wojewodschaft.