Mitglieder der ersten Stunde
Lange vor dem Wendeherbst ’89 fußte die Opposition in der DDR auch auf Aktivisten, die Umweltskandale wie am Chemiestandort Bitterfeld anprangerten. Am 24. November 1989 konstituierte sich die Grüne Partei in der DDR. Neben Engagierten aus kirchlichen Umweltgruppen gehörten vor allem Mitglieder der Gesellschaft für Natur und Umwelt des Kulturbundes zu den Grünen der ersten Stunde in Ostdeutschland – auch in Frankfurt. Die formelle Parteigründung folgte am 9. Februar 1990 in Halle.
An die grünen Anfänge vor 30 Jahren in der Oderstadt kann sich Bernhard Kuhn noch gut erinnern. "Im Januar lud Frank Bier, Enkel von August Bier, dem berühmten Sauener Förster, in das Haus des Kulturbundes in die Luisenstraße ein und regte die Gründung der Grünen in Frankfurt an. Am 31. Januar kam es dann zur Gründungsversammlung einer Initiativgruppe mit Manfred Keller. Er wurde auch zum ersten Vorsitzenden gewählt", berichtet Kuhn. Der heute 75-Jährige war seit 1969 für die Wasserwirtschaft tätig, in Frankfurt wies er Trinkwasserschutzzonen aus. "Westdeutsche Grüne wie Petra Kelly oder Antje Vollmer hatte ich schon immer für ihren Mut bewundert. Ich dachte: Da will ich auch dazugehören", sagt er.
Zu den Frankfurter Gründungsmitgliedern zählt ebenso Monika Blankenfeld. Wie Bernhard Kuhn ist sie den Grünen bis heute treu blieben. Sie lebt seit 1974 in Frankfurt. "Opposition war ich immer", sagt sie, "und tierlieb". Bis zum Herbst 1989 habe sie sich eher weggeduckt. Dann ging auch sie am 1. November zusammen mit Zehntausenden in Frankfurt auf die Straße. "Nicht als Bürgerbewegte. Ich empfand mich schon damals vielmehr als Grüne", sagt Monika Blankenfeld. Sie macht sich vor allem für den Tierschutz stark.
Im Haus der Demokratie in der Sophienstraße hatten die Grünen ihr erstes Büro. Der Zuspruch im Vorfeld der Kommunalwahlen 1990 war groß. "Da saßen manchmal 30 Leute mit am Tisch. Was wurde da diskutiert. Alle hatten nach jahrelanger Vorsicht Redebedarf", blickt Bernhard Kuhn zurück. Starthilfe gab es in der ersten Zeit auch von den Grünen aus der Partnerstadt Heilbronn. Neben Wahlkampfmaterialien und finanziellen Mitteln spendete der befreundete Kreisverband auch eine Linde – zur Einweihung des Bäumchens am 24. März 1990 im Kleistpark spielte sogar das Orchester der Volkspolizei auf.
Axel Bialas, Jürgen Barber und Steffen Henze hießen die ersten Grünen Stadtverordneten nach der Wahl am 6. Mai 1990, bei der die Partei auf 3,5 Prozent kam. Die Zahl der Parteimitglieder pegelte sich danach auf ein niedriges Niveau von etwa 10 bis 15 ein.
Am Tag nach der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 löste sich die Grüne Partei in der DDR auf. Ihre Mitglieder schlossen sich den west- und nunmehr gesamtdeutschen Grünen an. Im Mai 1993 fusionierten dann das aus dem Neuen Forum hervorgegangene Bündnis 90 und die Grünen zu einer Partei.
Der Kreisverband stellte nach den Kommunalwahlen 1993 mit – dem parteilosen – Jürgen Barber mehrere Jahre lang den Vorsitzenden des Stadtparlamentes. "Er hat in Zeiten mit tiefen Gräben eine gute, ausgleichende Rolle gespielt", schätzt Alena Karaschinski ein. Sie selbst kam 1997 als Studentin zu den Frankfurter Grünen. "Der Anfang in Brandenburg war mühsam. Es war schwierig, mit wenig Mitgliedern und Beiträgen voranzukommen", sagt sie. Zudem habe ihre Partei insgesamt auch die existenziellen Sorgen vieler Menschen im Osten nach der Wiedervereinigung unterschätzt, räumt sie ein. Hinzu kamen Krisen wie der Kosovo-Krieg, an dem sich Deutschland unter Rot-Grün beteiligte. "Die Austrittswelle ist damals auch bei uns angekommen."
Seit 2018 Teil der Rathausspitze
Blättert sie durch den Ordner mit alten Zeitungsartikeln, werden Erinnerungen an zahlreiche Debatten wach, die den Kreisverband in 30 Jahren bewegt haben. Von der Feinstaubbelastung in der Leipziger Straße. Über die Kastrationspflicht für Katzen, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und das Engagement gegen Rechts. Bis hin zur dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen und dem Kauf neuer, barrierefreier Straßenbahnen. Seit vielen Jahren eng verbunden mit dem Kreisverband ist Annalena Baerbock, neben Robert Habeck Bundesvorsitzende der Bündnisgrünen. 2009 kandidierte sie im Wahlkreis Oder-Spree/Frankfurt für den Bundestag. Seit 2014 unterhält sie in der Gubener Straße ein BürgerInnenbüro.
30 Jahre nach ihrer Gründung sind die Grünen fester Bestandteil der Parteienlandschaft in der Stadt. Und feiern Erfolge. 12 Prozent holte die Partei bei den Kommunalwahlen im Mai 2019. Im September zog mit Sahra Damus – über die Landesliste – erstmals eine Frankfurter Grüne in den Landtag ein. Bereits seit der Wahl von OB René Wilke 2018 gehören die Grünen mit zur Rathausspitze. Jörg Gleisenstein leitete bis zu seinem plötzlichen Tod im November 2019 das Dezernat für Stadtentwicklung und Bauen.
Mit ihrer wachsenden Popularität und in vielen Positionen polarisieren die Grünen heute ungleich mehr als noch vor 30 Jahren. Auch die Erwartungshaltung an grüne Stadtpolitik ist größer. Zum Beispiel dort, wo es um die Lösung von Stadtentwicklungsproblemen fernab grüner Kernthemen geht, und Pragmatismus statt Idealismus gefragt ist. Wachsende Mitgliederzahlen und steigender Wählerzuspruch verpflichten. "Wir übernehmen Verantwortung", sagt Alena Karaschinski selbstbewusst. Und: "Neue Zeiten fordern neue Antworten. Das ist so. Und trotzdem stehen wir auf den Schultern der Leute von damals, sie haben die grüne Fahne hochgehalten."

Gefeiert wird am Freitag im Kleist-Museum

Zum Grünen Jubiläumsempfang lädt der Kreisverband diesen Freitag ab 19 Uhr ins Kleist-Museum, Faberstraße 6-7. Gastrednerin Marianne Birthler blickt auf die Zeit vor den Volkskammerwahlen 1990 zurück. Der Kreisvorstand freut sich außerdem auf Austausch, Dialog und Gespräche bei einem kleinen Imbiss. Serviert werden Speisen vom Suppenbistro S*Kultur. Außerdem werden Spenden für einen Dokumentarfilm über Hermann Arndt gesammelt. red