Glückwunsch zum Aufstieg in die Oberliga. Wie war es denn, einen solchen Erfolg auf der Couch feiern zu müssen?
Lucas Schewe:Das war komplett komisch. Sonst fieberst du schon im Training der Entscheidung entgegen, bist im Spiel unter Adrenalin und gehst mit. So sitzt du auf der Couch. Das ist Nichts, wo du mega abgehst.
Nach dem Verzicht von Wismar war Rostock als Tabellenzweiter erster Anwärter auf den Aufstieg. Dennoch war bis vor wenigen Tagen nicht klar, was passiert. Wie erlebten Sie diese Phase?
Man sieht es mit leichtem Abstand, da man ohnehin nicht eingreifen oder etwas beeinflussen kann. Daher habe ich mich nicht fertig gemacht oder viel darüber nachgedacht. Es war klar, dass es über andere Parteien geht, auf die du keinen Einfluss hast.
Ihr Verein hat intensive Überlegungen angestellt, ob er das Aufstiegsrecht wahrnimmt. Finanzielle und sportliche Aspekte wurden abgewogen. Wurden die Spieler in diesen Prozess eingebunden?
Schon. Die Verantwortlichen fragten, ob wir grundsätzlich Lust hätten, das Projekt anzugehen.
Sportlich zeigte der RFC mit 46 Punkten aus 19 Spielen, dass er das Zeug für die höhere Liga hat. War eine solche Saison geplant?
So etwas kann man nicht planen. Du kannst natürlich mit Vorgaben arbeiten, musst aber immer individuell reagieren. Auch wir hatten Verletzungspech. Grundsätzlich war klar, dass wir in dieser Liga einer der stärksten Vereine sind. Das Gesamtkonzept stimmt. Wenn man sieht, was da für Spieler bei sind, die schon höher gespielt haben, ist das toll.
Sie wechselten im Februar 2019 zum Rostocker FC und verpassten seither nur ganz wenige Spielminuten. War damit zu rechnen, dass es gleich für den Sprung in die Stammelf reicht?
Das war auf jeden Fall überraschend. Ich habe nicht ansatzweise damit gerechnet, dass es so läuft. Ich wollte einfach gut trainieren und das Körperliche mitnehmen.
Auch ein ehemaliger Sportschüler merkt also den Unterschied beim Sprung in den Männerbereich?
Der ist schon groß. Fast alle spielen mit Auge und haben die nötige Ruhe. In der Jugend zitterst du dir einen weg.
Wie stolz macht Sie die eigene Entwicklung?
Ich bin keiner, der große Töne spuckt und finde es besser, im Hintergrund zu laufen. Irgendwie kann ich es gar nicht ab, im Mittelpunkt zu stehen. Ich bin ein junger Spieler von der alten Schule. ,Wenn du der Jüngste bist, machst du die Drecksarbeit.’ Ich nehme die Bälle mit, bringe das Wasser mit raus – und bin der Erste der reinsprintet, wenn was vergessen wurde. Das gehört für mich dazu, wenn du der Jüngste bist.
Vor wenigen Jahren gab es im "großen Fußball" die Diskussion, dass in Deutschland gute Linksverteidiger fehlen. Wie sind Sie auf dieser Position gelandet?
Das passierte wie bei Finn Wozniak (spielt künftig für den Oberligisten Strausberg; Anm.d.Red.) in Cottbus unter Trainer Randy Gottwald. Wir hatten einen extrem schmalen Kader. Da gab es keinen für jede Position und es wurde viel probiert.
Sehen Sie sich in dieser Rolle auch künftig?
Auf der Position fühle ich mich wohl. Woanders will ich nicht mehr spielen. Ich mag es, über die Linie zu laufen – und wirklich zu laufen. Es macht mir nichts aus, auch mal fünf Kilometer unterwegs zu sein, ohne großartig den Ball zu haben. Und Vorlagen zu geben ist mir lieber, als wirklich zu feiern.
Werden Sie das auch in der kommenden Saison beim Rostocker FC machen?
Ich weiß es nicht. Das wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Die Frage ist, wie es überhaupt mit dem Fußball weitergeht. Da gibt es im Moment wichtigere Dinge. Auch wenn wir diesen Virus in Mecklenburg-Vorpommern in Anbetracht der geringen Infektionszahlen nicht mehr so präsent mitbekommen, müssen wir davon reden, dass Corona für gewisse Personengruppen gefährlich ist. Und solange das so ist, und Leute um ihren Job bangen, macht es keinen Sinn, den Freizeitsport zu starten.
Fehlt Ihnen der regelmäßige Sport nicht?
Die Zeit ohne Fußball habe ich mal anders genossen. Ich hatte viel mehr Zeit für andere Sachen, die auch angenehm sind und die man sonst nicht macht.
Gehören da auch Fahrten in die Heimat dazu oder ist diese mittlerweile eher Rostock?
Rostock ist für mich Heimat und wird es glaube immer sein. Wir sind schnell in Warnemünde und am Strand. Das ist Lebensqualität, die der Wahnsinn ist. In Mecklenburg-Vorpommern machen andere Urlaub. Wir leben und arbeiten da. Das finde ich immens geil. Mit Liebenwalde verbinde ich schon ein Zuhausegefühl. Aber hier im Norden ist das eigene Leben aufgebaut.
Würden Sie die Region bei einem lukrativen Angebot verlassen?
Über Angebote kann man sprechen. Ich will mich aber nicht auf den Fußball fixieren. Das finde ich schwierig. Wenn du in meinem Alter noch nicht oben bei den größeren Vereinen ab der Regionalliga rangeschnuppert hast, wirst du da nie wieder rankommen. Ich habe es selbst erlebt: In diesem einen Jahr nach den A-Junioren lernst du so viel, das holst du nie wieder auf. Keine Chance. Als junger Spieler machst du unbewusst so viel mit und saugst so viel auf, was dich menschlich und fußballerisch fördert. Ich denke nicht, dass da noch mal das Tor offen ist.
Also haben Sie mit dem ganz großen Fußball abgeschlossen?
Höher als Oberliga geht es wahrscheinlich nicht hinaus. Aber das ist okay. Der bezahlte Fußball würde momentan sowieso ausfallen. Ich würde zum derzeitigen Zeitpunkt nicht die Ausbildung hinschmeißen, um Fußball zu spielen. Dafür ist der Sport nur Sport. Es soll Spaß machen. Es ist die Frage, ob du Regionalliga spielst und auf jeden Cent gucken musst, oder ob du bei der Arbeit deinen Weg machst und eine solide Grundbildung hast. Danach kann man immer noch gucken, was beim Fußball passiert.
Es gibt Spieler, die sind älter als Sie und träumen noch vom Durchbruch. Ist das der falsche Ansatz?
Nein, das ist nicht verwerflich. Es ist schön, wenn man einen Traum hat und die Perspektive für sich sieht. Diese sehe ich nicht und habe dementsprechend keinen Traum mehr.
Das scheint Sie aber nicht zu belasten ...
Nein. Es wäre eine schöne Sache gewesen. Und ich würde den Weg mit den Höhen und Tiefen noch mal genauso gehen. Du hast Lebenserfahrung gesammelt, Sachlichkeit und Menschenkenntnis. Die bringt dich in jedem Beruf und und in jeder Alltagssituation weiter. Das ist einfach unglaublich.
Von Liebenwaldein den hohen Norden
Lucas Schewe wurde am 14. September 2000 geboren.
Beim FV Liebenwalde machte der Sohn von Auswahltrainer Jens Schewe seine ersten Schritte als Fußballer.
An der Sportschule Cottbus gab es den Feinschliff. Vier Jahre lang spielte er im Jugendbereich des FC Energie.
Der FC Hansa Rostock war ab Sommer 2017 die nächste Station.
Innerhalb der Hansestadt wechselte Schewe im Februar 2019 zum Rostocker FC in die Verbandsliga und sicherte sich im Männerbereich sofort einen Stammplatz auf der linken Abwehrseite. Seine Bilanz: 28 Spiele und drei Tore. sz