Was wird aus den mehr als 100.000 von Horst Seelig digitalisierten und sortierten Bildern, die der Seelower Handwerksmeister über Jahrzehnte hinweg in seiner Heimatstadt „geschossen“ hat? Wer bewahrt dieses großes fotografische Gedächtnis? „Die Stadt wird die Bilder erhalten“, versichert Sylvia Apel, Tochter des vor einem Jahr verstorbenen Hobbyfotografen. Ihr Vater habe alles sehr sorgfältig katalogisiert und auch die Familie wünsche sich, dass sein Lebenswerk für nachfolgende Generationen zugänglich bleibt.
Mit einer Ausstellung unter dem Motto: „Retroperspektive – Horst Seelig – Fotografien eines Beobachters“ in den drei Fluretagen des Seelower Landratsamtes in Seelow erfolgte am Dienstagnachmittag, 14. Februar, schon mal der Auftakt. Die 29 großen Schwarz-Weiß-Fotografien sind ein Bruchteil dessen, was Horst Seelig der Nachwelt hinterlassen hat.
Kuratorin Christina Bohin besuchte ihn 2008 mehrfach
Kuratiert hat die Ausstellung Christina Bohin. Die in Neuenhagen bei Bad Freienwalde lebende Fotografin und Kuratorin lernte den Seelower 2008 in Vorbereitung seiner Fotoausstellung im Schloss Neuenhagen kennen und schätzen. Jeden Dienstag sei sie acht Monate lang Gast bei Seeligs gewesen, erhielt einen Einblick nicht nur in das fotografische Werk von Horst Seelig, sondern habe auch ungeheuer viel aus dem Alltagsleben einer Zeit, die sie als Regensburgerin kaum kannte, erfahren.
Denn: In ihrer westdeutschen Schule sei nur sehr wenig über die damalige DDR vermittelt worden, berichtete Christina Bohin auf Nachfrage von MOZ.de.
Tiefer Einblick in das Leben, Lachen, Arbeiten und Feiern der Leute erfahren
Über die Fotos und die vielen Geschichten, die Horst Seelig zu fast allen seinen Bildern erzählen konnte, sei ihr ein tiefer Einblick in das Leben, Lachen, Arbeiten und Feiern der Menschen hierzulande möglich gewesen. Fasziniert habe die Kuratorin, wie Horst Seelig fotografierte. „Er hat es geschafft, mit seinen Momentaufnahmen viele Emotionen festzuhalten“, sagte Christina Bohin zur Ausstellungseröffnung. Er stehe für den Ausspruch „Fotografie ist die Literatur des Auges“.
Der Seelower fotografierte auch, wo er es nicht durfte
Dies sei bei den Bildern von Horst Seelig um so bemerkenswerter, da zu DDR-Zeiten das Fotografieren keinesfalls immer erwünscht war. Christina Bohin verlas Auszüge aus Stasiberichten, die vor Augen führten, wie nah an der Grenze des Legalen Horst Seelig oft agierte. Er fotografierte immer wieder auch bei gesellschaftlichen Ereignissen, wie etwa dem Besuch des koreanischen Parteichefs Kim II Sung oder Großveranstaltungen an der Seelower Gedenkstätte, obwohl er keine Fotoerlaubnis besaß. Das wurde mit Argusaugen beobachtet, auch die Tatsache, dass er sogar Teleobjektive einsetzte, um sein Bild zu bekommen.
Vize-Landrat lobt Blick fürs Detail
Es seien bemerkenswerte Bilder, würdigte Vize-Landrat Friedemann Hanke. Horst Seelig habe nicht einfach Aufmärsche oder Feste fotografiert, sondern immer den Blick fürs Detail bewahrt. „Seine Bilder sind Teil unserer Erinnerungen“, sagte Hanke.
Dazu gehören auch viele fröhliche Augenblicke sowie Momentaufnahmen aus dem Alltag oder von Menschen, die damals vor Ort agierten. Wie etwa der Volkspolizist Benno Kuchenbäcker. So manch ein Seelower dürfte sich auf einigen Fotos wieder erkennen, auf Bildern von Maiveranstaltungen oder Umzügen.
Witwe und Familie bei Vernissage dabei – genau am 1. Todestag
Friedemann Hanke begrüßte besonders die Witwe Erika Seelig sowie die Töchter Sylvia Apel und Ramona Scharfe, die mit ihrer Mutter zur Eröffnung der Ausstellung gekommen waren. Für die Familie war es ein besonderer Tag. Denn genau vor einem Jahr, am 14. Februar, war Horst Seelig verstorben. Seine Bilder jedoch leben weiter, sind eine visuelle Chronik der Entwicklung der Stadt, in der auch das Handwerk, der eigentliche Beruf des Meisters, immer einen festen Platz hatte. Immer wieder fotografierte Horst Seelig Bilder auch in Handwerksbetrieben der Stadt.
MOZ-Redakteure durften seinen Fundus nutzen
Horst Seelig war bis ins hohe Alter auch ein sehr angenehmer Partner der MOZ. Immer wieder durften Redakteure einen Blick in seinen schier unerschöpflichen Fundus werfen und für so manchen historischen Beitrag seine Bilder verwenden. Legendär sind ebenso seine Dia-Vorträge, bei denen er nicht nur seine Fotos zeigte, sondern sie in seiner charmanten und freundlichen Art mit Anekdoten und Geschichten spickte.
Die Ausstellung über Horst Seelig und seine Werke ist bis zum 1. Juni zu sehen und kann zu den Öffnungszeiten des Landratsamtes von jedermann besucht werden.