Die alten Funktionsgebäude werden abgerissen. Die MOZ hat sie vor ihrem Abriss gemeinsam mit Martin Rogge, Vorsitzender des Vereins für die Geschichte Küstrins, noch einmal dokumentiert. Erneut wird der Küstrin-Kietzer Bahnhof innerhalb von historisch kurzer Zeit sein Antlitz radikal verändern. Diesmal, um die Brückenneubauten über Oder und Vorflut vorzubereiten.
Bildergalerie Bahnhofsareal Küstrin-Kietz: Rundgang vor dem Abriss
Ausbau von Enteignungen begleitet
Seit 1879 ein kleinerer Vorstadtbahnhof, wurde er ab 1955 unter dem Namen "Kietz" zu einem wichtigen Bahnstandort der Region. Zwischen 1947 und 1948 erfolgte zwar die Demontage des zweiten Streckengleises der Ostbahn zwischen Küstrin-Kietz und Berlin als Reparation. Doch für Kohle aus Polen, aber auch Militärtransporte der Sowjetarmee wurde der Bahnhof immer wichtiger.
Für den Güterverkehr zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) entstanden westlich des Bahnhofs zwei neue Verbindungskurven (Gleise 15 und 16), die die Ostbahn von Westen mit der Frankfurter Seite in beiden Richtungen verbanden. Zudem wurden zwischen 1952 und 1954 die Gleisanlagen um vier Übergabegleise auf der Frankfurter Seite erweitert. Der Ausbau des Bahnhofs war begleitet von zahlreichen Enteignungen. Es wurden neue Stellwerke errichtet. Dem Platzbedarf des Bahnhofes musste auch die Häuserzeile nördlich der Karl-Marx-Straße weichen. Die Bedeutung des Bahnhofs spiegelte sich zudem in der Zahl der Beschäftigten wider: 1985 gab es dort 250 Mitarbeiter. Über die Grenze verkehrten in Höchstzeiten täglich etwa 17 Züge.
Rückbau nach der Wende
Nach der Wende verlor der Bahnhof an Bedeutung. Der Verkehr auf der Strecke nach Frankfurt wurde infolge der gesunkenen Transportleistungsnachfrage 1996 eingestellt. Die Anlagen des Bahnhofs wurden in der Folgezeit teilweise zurückgebaut. 2006 nahm die Deutsche Bahn AG ein elektronisches Stellwerk in Betrieb, von dem aus unter anderem die von Berlin kommende Strecke ab Strausberg überwacht wird.
Was für den Laien heute als große Verkehrsbrache erscheint, ist für den Fachmann eine wohldurchdachte Infrastruktur. Martin Rogge erklärt, dass es unter dem Dach des Grenzbahnhofs mehrere unterschiedliche Bereiche und Gewerke gab, die dort ihre eigenen Gebäude hatten und deren Mitarbeiter wie in der Armee auch eigene Schulterstückenfarben. Der mit bunten Graffiti beschmierte Flachbau gleich hinter den einstigen Toilettenhäuschen war zum Beispiel die Schlosserei und Schmiede der Bahnanlagenbauer. Etwas weiter nordwestlich steht noch die große Verladerampe, auf der Landmaschinen, aber auch die Pionierfahrzeuge, die Pontons der Sowjetarmee, entladen wurden. Weiter in südwestlicher Richtung steht der große Güterboden, an den später die Zollverwaltung angebaut worden war. Dieser Güterboden hat an drei Seiten Verladerampen: Südlich, am heutigen Bahnhofsweg, wurden die Güter auf und von Lkw geladen, nördlich führte ein Gleis direkt an die Rampe zum Be- und Entladen von Waggons. Das große Gebäude am Westende des Bahnhofsareals, nahe dem Schwarzen Weg, diente als Fernmeldeamt der Eisenbahn.