Die seit mehr als einem Vierteljahr durch die neue Jagdverordnung gestoppte systematische Bisambekämpfung am Oderdeich gefährdet zunehmend den Hochwasserschutz für das Oderbruch. Deshalb hat die Gemeinde Letschin ein Normenkontrollverfahren gegen diese Verordnung begonnen. Das Verfahren wurde auch von den Teilnehmern der Fachdeichschau am Mittwoch begrüßt. Allerdings wurde dazu geraten, dass der Kreis die Klage führt, da er in besonderem Maße für den Katastrophenschutz verantwortlich ist.
Letschins Bürgermeister Michael Böttcher machte am Dienstag bei einer Infoveranstaltung deutlich, warum die Gemeindevertretung den Klageweg beschreiten wird. Der Stopp der Bisambekämpfung gefährde die Lebensgrundlagen im Oderbruch. Böttcher zeigte an Beispielen aus den Niederlanden und vom Elbhochwasser, wie gefährlich die Fluchtröhren der Schadnager für die Standsicherheit des Deiches sind. "Wir sind als Gemeinde auch für die Sicherheit unserer Deichläufer verantwortlich", so der Bürgermeister in der Runde, an der zahlreiche Landwirte, Jäger und Kommunalpolitiker teilnahmen.

Gedo beseitigt alte Schadstellen

Martin Porath, Geschäftsführer des Deichverbandes Gedo, informierte, dass sein Verband vom Landesumweltamt beauftragt sei, bis Jahresende alle bekannt gewordenen alten Schadstellen am Deich zu beseitigen und die Kontrollen zu verschärfen. Der Ansatz des Landes, mit der neuen Verordnung die Kräfte der Jäger und der Bisamfänger zu vereinen, sei nach hinten losgegangen. Denn neben dem Jagdschein benötigt der Bisamfänger nun auch von jedem einzelnen Jagdpächter Begehungsscheine. Der Gedo werde sich in punkto Bisamfang personell verstärken. Bis Mitte November soll es ein Merkblatt für Jäger geben, mit dem sie auf die Situation aufmerksam gemacht werden, erklärte Porath.
Gregor Beyer, Geschäftsführer der im Forum Natur zusammengeschlossenen Vertretungen der Landnutzerverbände, erklärte, dass es Sinn machen würde, Biber ins Jagdrecht aufzunehmen. Aber keine Bisam. Denn deren Fang sei Schädlingsbekämpfung im Sinne des Hochwasserschutzes. Jürgen Hammerschmidt von der Landesarbeitsgemeinschaft der Jagdgenossen, also der Grundeigentümer der Jagdreviere, erklärte, dass sein Verband in die Vorbereitung der Jagdverordnung zwar eingebunden war. Das Thema Bisam sei aber in keinem der vorgelegten Entwürfe enthalten gewesen und erst im Abschlussentwurf aufgetaucht. Hammerschmidt informierte über eine Rechtsberatung, mit der vom Klageverfahren abgeraten wird.
Rechtsanwalt Janko Geßner, er vertritt Letschin im Normenkontrollverfahren, informierte, dass die Gemeinde Letschin sehr wohl klageberechtigt ist, da die gemeindlichen Interessen mit der die Deichsicherheit gefährdenden Verordnung betroffen sei. Mehr noch wäre es aber der Landkreis. Seine Kanzlei sei dabei, alle Unterlagen zu sichten, um die Klageschrift zu verfassen. Das Verfahren beim Oberverwaltungsgericht werde mindestens zwei Jahre in Anspruch nehmen. Es ermögliche aber einen Antrag auf Aussetzen des Vollzugs für den den Bisam betreffenden Teil der Verordnung. Dieser Eilantrag werde gestellt. Die Vertreter der Jagdverbände Märkisch-Oderland, Seelow und Frankfurt machten übereinstimmend deutlich, dass sie sich bei einer finanziellen Beteiligung am Verfahren überfordert sehen. Für Golzow sicherte Bürgermeister Frank Schütz Unterstützung zu. Golzows Hauptamtsleiter Guntram Glatzer bestätigte, dass ein Beschluss für den Amtsausschuss vorbereitet werde.
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Selbst das Landesumweltamt sieht die Klage inzwischen trotzdem als Möglichkeit, den Fehler zu berichtigen. Zur Fachdeichschau am Mittwoch erklärte Frank Krüger vom Landesamt für Umwelt, dass der Deich auch bei einem Hochwasser zwar noch als sicher einzuschätzen sei. Durch die rasante Vermehrung der Bisam steige aber die Gefährdung. Biberfluchtröhren schaden dem Deich ebenso wie die von Bisamen. Hinzu kämen weitere Gefährder der Deichanlagen. Dass dazu auch der Mensch gehöre, machte Martin Rudolf vom Deichhaus Freienwalde deutlich.
Aktuell seien die Jäger lediglich in der moralischen Pflicht zum Bisamfang. Der jagdliche Mutterschutz der Bisam werde jetzt zum Monatsende aufgehoben, so dass der Bisamfang ganzjährig erfolgen könne. Eine Aussetzung der Jagdverordnung in Teilen könne das Landesumweltamt nicht bewerkstelligen, erklärte Krüger auf Nachfrage. Das könnten nur das Ministerium oder der Landtag. "Wir hier als Teilnehmer der Fachdeichschau sind uns der Gefahren durchaus bewusst, die sich mit der rasanten Vermehrung der Bisam ergeben", machte Referatsleiter Krüger deutlich.

Hunde sollen Schäden aufspüren

Um in Zukunft besser gewappnet zu sein, habe man mit mit dem Zalf Müncheberg und der TU Dresden ein Projekt gestartet, bei dem mittels moderner Technik Schäden am und im Deich besser geortet werden sollen, informierte Krüger. Mit diesen Verfahren sollen die 157 Kilometer Deich in Brandenburg, die akut biber- und bisamgefährdet sind, regelmäßig untersucht werden. Zudem sollen speziell geschulte Hunde zum Einsatz kommen, die Biberbauten aufspüren sollen. Aber auch das werde noch Jahre in Anspruch nehmen.
Wer wie die Fachleute den Deich genau in Augenschein nimmt, der kann aktuell sehr viele Löcher finden, die verschiedene Tiere in die Grasnarbe wühlen. Beispiele dafür sind die Abschnitte am Kilometer 65,2 oder 59,8 wo der Deichverband gerade die Herbstmahd durchführt. Wie stark sich die Bisam allerdings seit dem Stopp der Jagd Anfang Juli vermehrt haben, konnten auch die Fachleute nicht genau sagen. Bisam werfen bis zu drei Mal jährlich bis zu neun Junge, die bald selbst wieder geschlechtsreif sind.

Verfahren zur Normenkontrolle

Durch ein Normenkontrollverfahren soll sichergestellt werden, dass ungültige Rechtsnormen nicht mehr Bestandteil der Rechtsordnung sind und damit weitere negative Folgen vermieden werden. Im Ergebnis soll somit verhindert werden, dass es vor dem Bundesverfassungsgericht zu einer Vielzahl von Einzelprozessen kommt. In diesem Fall soll verhindert werden, dass durch die Unterstellung von Bisam und Nutria unter das Jagdrecht der Hochwasserschutz gefährdet wird, weil ehrenamtliche Jäger die Bisam nicht wirksam bejagen können. ulg