Beim Thema Flüchtlinge dominieren seit dem vergangenen Sommer die Menschen, die vor dem Syrien-Krieg oder der Gewalt in Afghanistan zu uns geflohen sind. Dass auch Afrikaner inzwischen bei uns leben, weil sie dafür in ihrer Heimat keine Grundlage mehr sehen, dass es Kriegsflüchtlinge auch im und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gab, dass Menschen aus der DDR geflohen sind - auch solche Fluchterfahrungen wurden am Freitag weitergegeben.
Ähnlich wie beim "Speed-Dating" - nach festen Zeiten wurden Zuhörer und Erzähler durchgewechselt - schilderten junge und ältere Flüchtlinge ihren Werdegang. Brigitte Hübner beispielsweise hatte zwei Schülerinnen vor sich sowie eine der Organisatorinnen des Tages, Bianca Ely vom Anne-Frank-Zentrum in Berlin. Hübner ist jenseits der Ucker zur Welt gekommen - heute polnisches Staatsgebiet. "Meine Eltern waren beide gehörlos, und dennoch wurde mein Vater noch im Januar 1945 zu den Sanitätern eingezogen." Ihre Familie nutzte am 30. Januar 1945 "den letzten Zug" nach Berlin, wo zwei Tanten der damals Zweijährigen lebten. "Wir lebten mit elf Personen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung", schilderte Brigitte Hübner die Verhältnisse. 1948, der Vater sei inzwischen auch wieder heimgekehrt, seien ihre Eltern dann nach Müllrose umgezogen, wiederum zu Verwandten. Und dann fiel ein Satz, der bei allen Zuhörern am Tisch lange nachhallte: "Wir waren dort nicht so sehr willkommen!"
Die kleinen Tischrunden trugen offensichtlich dazu bei, dass die Gespräche viel Tiefgang bekamen. Sebastian Teichmann, Sozialarbeiter an der Spree-Oberschule, die mit Jugendlichen das Projekt besuchte, stellte fest, dass einige in der Bibliothek erstmals Näheres über die Fluchtgeschichte eines afghanischen Mitschülers erfuhren. "Die waren richtig platt." Auch von der Oberschule Briesen hatte sich eine Klasse nach Fürstenwalde aufgemacht.
Parallel zum Projekttag "Lebendige Bücher" ist in der Stadtbibliothek noch bis zum 7. Oktober eine Ausstellung zu sehen, in der Menschen aus Syrien in kurzen Hörstücken erzählen, warum sie allen Widrigkeiten zum Trotz dort bleiben wollen.
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