Die Konsequenzen seien heute schon zu spüren, so die Studienautoren Harald Elsner und Michael Szurlies: "Als Folge davon traten im Jahr 2016 erstmals in Hamburg, im Jahr 2017 dann auch im Ruhrgebiet Versorgungsengpässe bei Baurohstoffen für den Straßenbau ein, die sich im Jahr 2018 auf den Hochbau im Ruhrgebiet sowie die Großräume Mannheim-Karlsruhe und Berlin/Potsdam ausweiteten. Mittlerweile werden auch in anderen Regionen Aufträge für größere Baumaßnahmen nicht mehr angenommen, Stammkunden vorrangig versorgt und Kiesmengen nach Verfügbarkeit zugeteilt."
Die Forderung der BGR-Studie nach mehr Genehmigungen zum Abbau stößt im südbrandenburgischen Mühlberg nicht auf Begeisterung. Dort befindet sich das größte deutsche Kieswerk. Im vergangenen Jahr wurden rund um die Stadt an der Elbe 5,2 Millionen Tonnen Kies und Sand gewonnen.
Seit 1968 wurden diese Baurohstoffe hier auf 500 Hektar abgebaut – mit Folgen: Tiere sterben aus, Feuerwehrbrunnen versiegen, Teiche versanden, Bäume verdorren. "Der Grundwasserspiegel sinkt weiter, das ist ein riesiges Problem für die Agrargenossenschaft Mühlberg, dem größten Arbeitgeber", sagt Jörg Fabian, Ortsvorsteher im Mühlberger Ortsteil Altenau, und fügt hinzu: "Jedes Jahr fallen durch den Kiesabbau 15 Hektar wertvoller Boden weg." Er blickt mit Sorge auf die laufenden Planungsverfahren für die Ausweitung. Es geht um mehr als 500 Hektar neue Abbauflächen in der Elbaue, langfristig sind sogar 2000 Hektar im Gespräch.
"Wir sind nicht grundsätzlich gegen den Abbau, aber nicht in diesen Dimensionen. Die Politik ist gefragt, um den Abbau zu beschränken", sagt Fabian, der der 70 Mitglieder zählenden Bürgerinitiative "Für eine Heimat mit Zukunft" angehört. Er spricht von einigen Verbesserungen, die durch das Engagement der Bürger erreicht werden konnten: "Die Abbauunternehmen halten sich jetzt an die Bestimmungen wie das Verbot des Nachtverladebetriebes oder Auflagen zur Rekultivierung."
Schweiz recycelt mehr
Unterstützung bekommt Fabian vom Öko-Institut. Mehr Genehmigungen für mehr Kiesabbau für mehr Neubauten sind nach Überzeugung von Matthias Buchert, Leiter der Arbeitsgemeinschaft Ressourcen bei dem Darmstädter Institut, der falsche Weg. Richtig wäre es dagegen, den Abbau drastisch zu senken – denn Kies ist ein nicht-erneuerbarer Rohstoff. "Es kann bis Mitte des Jahrhunderts eine absolute Reduzierung des jährlichen Bedarfs von 45 Prozent gegenüber 2013 durch Recycling, Lebensverlängerung von Gebäuden und weiteren Maßnahmen erreicht werden", heißt es in einem Papier des Öko-Instituts.
Thema Recycling: "In der Schweiz ist man da viel weiter als in Deutschland. Bei uns müsste die öffentliche Hand als Bauträger vorangehen und verstärkt auf Recyclingbeton bei ihren Bauprojekten setzen, damit die Industrie in diesen Bereich mehr investiert", sagt Buchert.
Bisher wird gebrochener Beton, der Kies enthält, meist im Straßenbau eingesetzt – man spricht von Downcycling, weil ein hochwertiger Rohstoff nur noch als minderwertiges Material gebraucht wird. Das müsste laut Buchert nicht sein: "Eine Nutzung als Gesteinskörnung zum Ersatz von Kies, um Recyclingbeton herzustellen, ist technisch ausgereift." Laut Öko-Institut könnte Kies zu mindestens zehn Prozent durch Recyclingmaterial ersetzt werden – derzeit liegt der Anteil unter einem Prozent.
Thema Lebensverlängerung von Gebäuden: "Autos müssen regelmäßig zum TÜV, Gebäude werden dagegen nicht regelmäßig überprüft. Das ist falsch. Der Bestand muss besser gepflegt und ertüchtigt werden, um so die Zahl der Neubauten zu reduzieren", sagt Buchert. Dies könne durch eine Erhöhung der Sanierungsraten von heute ein auf künftig drei Prozent bei Wohngebäuden erreicht werden.
Die Einführung einer Primärrohstoffsteuer wäre aus Bucherts Sicht ein weiterer wichtiger Baustein. Dadurch könnte der Kies teurer werden, was das Recycling wirtschaftlich interessanter machen würde.
Buchert schließt die Erweiterung bestehender Kiesgruben nicht aus, aber er macht auch klar: "Wir müssen die verfügbaren Kiesvorkommen über einen längeren Zeitraum strecken. Wenn wir nicht weniger Kies verbrauchen als bisher, wird es selbst bei großzügiger Genehmigungspraxis spätestens in 15 Jahren wieder die gleiche Diskussion wie heute geben."
2018 gab es in Deutschland 1910 Gewinnungsstellen von Sand und Kies. Nach dem letzten Bericht des Umweltbundesamtes wurden 2015 in Deutschland rund 326 Millionen Tonnen Steine und Kiese für den Einsatz als Baumaterial abgebaut.

Mehr als kleine Steine: Was ist eigentlich Kies?

Kies ist die Bezeichnung für ein Sediment mit einer Korngröße zwischen zwei und 63 Millimetern. Feinere Sedimente werden als Sand bezeichnet, gröbere Sedimente als Steine. Kies ist abgerundet, im Gegensatz zu Splitt und Schotter. Kies kann aus Granit, Quarz, Sandstein, Kalkstein oder anderen Gesteinsarten bestehen. goe