In einer erregten Debatte hat der Brandenburger Landtag am Mittwoch über die von den rot-schwarz-grünen Koalitionsfraktionen und der Linken geplanten Verfassungsänderungen debattiert. Damit soll unter anderem der Kampf gegen den Antisemitismus als Staatsziel in der Landesverfassung festgeschrieben werden. Alle zweieinhalb Tage verzeichne die Polizei eine Straftat von Antisemiten, sagte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch zur Begründung des Gesetzentwurfs. „Im vergangenen Jahr wurden 147 antisemitische Straftaten registriert, darunter 6 Gewalttaten“, mahnte der Minister. „Das waren 15 Taten mehr und doppelt so viele Gewalttaten wie im Vorjahr.“
SPD-Fraktionschef Erik Stohn verwies auf antiisraelische Kundgebungen im Frühjahr in deutschen Städten, bei denen auch israelische Flaggen verbrannt worden waren. „Da wurde die Grenze von der Israel-Kritik zum Antisemitismus klar überschritten“, meinte Stohn.

AfD lehnt Änderung der Verfassung ab

Die AfD lehnte diese Verfassungsänderung als „nutzlos“ ab und warf den Regierungsparteien vor, die Realität zu verkennen. Der AfD-Abgeordnete Dennis Hohloch meinte, der Staat lasse Flüchtlinge über die Grenze, die aus einem antisemitischen, muslimischen Kulturkreis stammten. „Sie nehmen nicht wahr, dass der Antisemitismus durch die Migrationspolitik verschärft wird“, sagte AfD-Fraktionschef Christoph Berndt.
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Dem trat Linke-Fraktionschef Sebastian Walter vehement entgegen. Von den 147 Straftaten im vergangenen Jahr seien nur drei nicht der rechtsextremen Szene zuzuordnen, erklärte er. Es sei richtig, den Kampf gegen den Antisemitismus auch durch die Verfassung zu unterstützen. Denn daraus folgten Bildungsprogramme, Lehrpläne und Unterstützung für jüdische Kultur. Es dürfe nicht bei Worten bleiben, sondern es müsse auch gehandelt werden. „Wir haben in der Verfassung ja auch eine Antirassismusklausel und trotzdem sitzen in diesem Landtag Rassisten“, sagte Walter mit Blick auf die AfD.

Debatte über Besetzung des Landtagspräsidiums

Die Fraktion BVB/Freie Wähler unterstützte die Aufnahme des Kampfes gegen den Antisemitismus als Staatsziel in die Verfassung. Deren Antrag, auch die Fortentwicklung der Verständigung in der Europäischen Union aufzunehmen, fand jedoch keine Mehrheit.
Für eine besondere Schärfe in der Debatte sorgte aber der Plan von Koalition und Linke, bei der Verfassungsänderung auch die Besetzung des Landtagspräsidiums neu zu regeln. Damit würde nicht mehr unbedingt die größte Oppositionspartei einen Vizeposten erhalten. Nach der neuen Regel soll nur eine der Oppositionsparteien im Präsidium vertreten sein.
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Hohloch warf der Koalition und der Linken daraufhin vor, die Verfassung missbrauchen zu wollen. „Um den Vizepräsidenten der größten Oppositionspartei los zu werden, wollen Sie die Verfassung ändern“, sagte Hohloch. „Das ist schäbig.“ Nach der Landtagswahl 2019 war ein Posten des Vizepräsidenten an die AfD als zweitstärkste Fraktion gefallen. An dem gewählten Abgeordneten Andreas Galau (AfD) gibt es jedoch Kritik der übrigen Fraktionen, unter anderem weil er bei Demonstrationen mit Antisemiten zusammengetroffen sein soll.

Entscheidung nach der Sommerpause

Linke-Fraktionschef Walter hielt dem entgegen, die Neuregelung sei eine Öffnungsklausel für die Opposition. Denn damit gehe es bei der Besetzung des Präsidiums nicht mehr allein nach der Stärke der Fraktionen, sondern es müsse auf jeden Fall eine Oppositionspartei vertreten sein. „Das ist mehr Demokratie“, meinte Walter.
Der Gesetzentwurf zu den Verfassungsänderungen soll nun zunächst im Hauptausschuss weiter beraten werden, bevor darüber nach der Sommerpause im Landtag entschieden werden soll.