Manch einer nutzt die Corona-Zwangspause, um in Ruhe über den Wochenmarkt auf dem Schöneberger Winterfeldplatz zu schlendern. Dort herrscht an diesem Mittwoch weiterhin Betrieb. "Wenn jetzt sogar schon der Tierpark schließt, ist es einer der wenigen Orte, wo man sich noch treffen kann, und bei den Händlern hängt die Existenz dran", sagt Marktleiter Steven Kampf. Am vergangenen Sonnabend sei es wie immer brechend voll gewesen. Der Mittwoch sei generell der ruhigste Markttag, berichtet der 34-Jährige.
Deswegen hat Sandra Thamm überhaupt noch einen Stand bekommen. "In Herzberg und Cottbus sind die Märkte dicht. Mein Chef meint, wir müssen noch alles mitnehmen, bevor vielleicht nichts mehr geht", sagt die Mitarbeiterin der Fasanerie "Am Arensberg" aus Herzberg (Elbe-Elster). So ist sie kurzerhand anderthalb Stunden nach Berlin gefahren. "Wenn alles gut geht, bin ich in 14 Tagen wieder hier", sagt die 30-Jährige zum Abschied zu den Kunden, die Wildsalami, Wachteleier und Fruchtaufstrich aus der hofeigenen Produktion mitnehmen. "Ich kaufe jetzt hier lieber ein als im Bio-Supermarkt, da ist mir zu viel Gewimmel", sagt ein 72-jähriger Mann, der mit dem Fahrrad gekommen ist.
Die Szenerie rund um den berühmten Schöneberger Wochenmarkt mutet in diesen schweren Zeiten fast idyllisch an. Kiezbewohner jeden Alters sitzen auf der Terrasse eines türkischen Cafés in der Sonne. Ein Leierkastenmann dreht vor dem Falafelladen seine Orgel. Nur das "Slumberland", Kneipeninstitution seit den 80er-Jahren, ist dicht. Die neuen Sitzquader auf der verkehrsberuhigten Maaßenenstraße werden dagegen von Sonnenanbetern bevölkert.
Auch auf dem Kudamm gibt es keinen Stau mehr. Die Klamotten- und Elektroläden sind zu. Die Betonbarrieren, die sonst die Massen auf dem Breitscheidplatz schützen sollen, wirken seltsam nutzlos. Der Mitarbeiter einer Pizzeria wird seine Flyer nun noch schwerer los. "Mein Chef will einfach nicht schließen", sagt er fast schon entschuldigend. Ein griechischer Tourist macht Fotos von der Gedächtniskirche. Dass die Hotels schließen, kann ihm egal sein. Er wohnt bei seiner Schwester, die Lehrerin einer griechischen Schule in Berlin ist und nun nachmittags Online-Unterricht gibt. "Bei uns in Athen ist auch alles geschlossen. Hier kann man aber wenigstens noch im Café sitzen", sagt der 44-Jährige.
Von 10 bis 18 Uhr dürfen Restaurants und Bistros öffnen. So sitzen am Wittenbergplatz die Gäste weiterhin in Korbstühlen und genehmigen sich einen Cappuccino. Obwohl Leihräder inzwischen für eine halbe Stunde kostenlos vermietet werden, sieht man junge Leute, die gemeinsam auf dem Bürgersteig ihre Räder fit machen. Raus, so lange es noch möglich ist, sich treffen, bevor es vielleicht doch noch verboten wird, ist momentan die Devise.
Denn an der Berliner Strategie, die Menschen weiter an die Luft zu lassen und verschiedene Geschäftsbereiche nicht zu schließen, gibt es auch Kritik. "Die Schutzmaßnahmen des Senats reichen nicht aus. Spielplätze müssen sofort, Restaurants auch tagsüber geschlossen bleiben, Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen müssen unter Androhung von Bußgeldern unterbunden werden", forderte Burkard Dregger, Vorsitzender der CDU-Fraktion, am Mittwoch.
Zumindest in Marzahn-Hellersdorf wurde er teilweise erhört, wo der Bezirk am Mittwoch Spielplätze schloss. Eltern und Kinder des grünen und weitläufigen Bezirks wurden gebeten, für Ausflüge Alternativen wie das Wuhletal, die Ahrensfelder Berge oder die Biesdorfer Höhe zu nutzen und den nötigen Mindestabstand zu waren. Das gilt in dem südöstlichen Bezirk nun auch für Bestattungen. Die können nach der Schließung der Trauerhallen nur noch im Freien stattfinden. "Es sollten nur die engsten Angehörigen an der Trauerfeier teilnehmen", hieß es.
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