Von Frankfurt bis zur Abfahrtsstelle Müllrose warteten die Lkw am Donnerstag schon in Zweierreihen auf die Grenzabfertigung. Die Regelung der Staus ist zur Rund-um-die-Uhr-Aufgabe für die Brandenburger Polizei geworden.
Durch einen tödlichen Unfall verschärfte sich das Geschehen am Nachmittag noch. Nach Polizeiangaben war kurz nach 14 Uhr ein polnischer Sattelschlepper zwischen den Anschlussstellen Storkow und Fürstenwalde-West auf zwei stehende Lkw aufgefahren. Der Fahrer des Schleppers verstarb noch an der Unfallstelle. Daraufhin war auch die Fahrtrichtung nach Berlin für anderthalb Stunden gesperrt. Der Stau in Richtung Frankfurt verlängerte sich zum Teil bis auf den Berliner Ring.
Auch auf der A11 nach Stettin wurde die Lkw-Schlange immer länger. Gegen Abend war sie 40 Kilometer lang. Da erfahrungsgemäß der Freitag der Tag mit dem größten Lkw-Verkehr in Richtung Polen ist, erwarten Kenner des Geschehens für heute noch eine Verschärfung.
Ursache für die Extrem-Staus sind die polnischen Sanitärkontrollen und Einreisebeschränkungen an der Grenze. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte am vergangenen Freitagabend verkündet, dass ab Sonntag keine Ausländer mehr zu Besuchszwecken nach Polen einreisen können. Ziemlich unverblümt versprach er seinen Landsleuten, dass die polnische Regierung ihre Bürger besser vor dem Coronavirus schützen würde, als es die deutsche Politik getan hätte.
Der Autoverkehr wurde auf nur noch wenige Grenzübergänge beschränkt. Alle Einreisenden – darunter auch die polnischen Bürger – mussten nicht nur einen Fiebertest an der Grenze machen, sondern auch noch vor Ort Formulare mit ihrem Wohnort und dem Reiseziel ausfüllen. Dies führte dazu, dass die Abfertigung jeder einzelnen Person bis zu zehn Minuten dauerte.
Wie sich jetzt herausstellte, hatte die Warschauer Regierung die deutsche Seite mit ihren Maßnahmen völlig überrascht. "Im Laufe des Sonnabends versuchten wir – auch in Absprache mit dem polnischen Botschafter in Berlin – eine Regelung zumindest für die rund 20.000 Polen zu erreichen, die als Grenzpendler täglich zur Arbeit nach Deutschland kommen", berichtete ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts jetzt unserer Zeitung. Auch zahlreiche Brandenburger Unternehmen, darunter Krankenhäuser, Logistiker und Landwirte, sind auf die polnischen Arbeitskräfte angewiesen.
Kein Deutschlandbeauftragter
Als zusätzliches Problem erwies sich, dass Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke zwar Polenbeauftragter der Bundesregierung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Allerdings gibt es schon seit Dezember kein Pendant mehr dazu, also keinen Deutschland-Beauftragten der polnischen Regierung, der für die Zusammenarbeit in der Grenzregion zuständig wäre.
Auch aus der Slubicer Stadtverwaltung war inoffiziell zu erfahren, "dass in Warschau alle Maßnahmen zur Grenzschließung beschlossen wurden, ohne sich mit uns abzusprechen". Nur so sei auch zu erklären, dass sich etwa am Dienstag der Bürgermeister von Slubice dafür aussprach, den Personenverkehr auf der Stadtbrücke nach Frankfurt einzustellen, weil sich dort große Menschentrauben bildeten.
Dass Dietmar Woidke über die entstandene Situation am Dienstag mit dem polnischen Außenminister Jacek Czaputowicz telefonierte, bestätigte uns am Donnerstag sein Regierungssprecher. Bei diesem Gespräch sei auch vereinbart worden, dass mehrere Grenzübergänge – unter anderem die in Slubice, Küstrin und Guben – wieder für polnische Pkw geöffnet wurden, um die Situation auf den Autobahnen zumindest zu entlasten. Woidke sagte aber auch dazu: "Grundsätzlich brauchen wir immer eine vernünftige und besonnene Abwägung aller angeordneten Maßnahmen."
Seit Donnerstag wurden die Formalien an der Grenze von den polnischen Behörden etwas erleichtert. Zum Teil verteilen jetzt auch schon Brandenburger Polizisten polnische Einreiseformulare an die Wartenden im Stau, damit diese die Zettel nicht erst an der Grenze ausfüllen müssen.

Trucker helfen Truckern im Grenzstau

In der Not zeigt sich Solidarität, auch unter Berufskollegen. 500 Lunchpakete verteilten Logistik-Verbände und Helfer am Donnerstagmittag an die Trucker, die auf der A 12 im Endlos-Stau standen. "Wir haben uns am Mittwochabend spontan zu der Aktion entschlossen", sagte Eberhard Tief vom Landesverbandes des Berliner und Brandenburger Verkehrsgewerbes. Es gehe vordringlich darum, die Lkw-Fahrer zu versorgen, die auf der Autobahn feststecken – ohne einen Zugang zu irgendeiner Versorgung. Eine Bäckerei aus Frankfurt (Oder) buk 1000 Brötchen für die Lunchpakete, ein Partyservice übernahm das Belegen. Finanziert wurde die Aktion über Spenden. ima