Für das Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg ist der Zugriff am Mittwoch einer der größten Erfolge der vergangenen Jahre: 140 Ermittler durchforsten im Auftrag der Berliner Staatsanwaltschaft 20 Objekte in Berlin und Brandenburg und vollstrecken vier Haftbefehle gegen Beschuldigte im Alter von 48 bis 59 Jahren – einen Ukrainer, einen Deutsch-Russen, einen Deutsch-Polen und einen Litauer.
"Alle waren in Berlin gemeldet", sagt Christian Lanninger, Sprecher des Zollfahndungsamts Berlin-Brandenburg. Sichergestellt worden sind Lanninger zufolge neben mehr als 50 000 Euro weitere Beweismittel. Zudem wurden wegen des vermuteten Steuerschadens Vermögenswerte festgesetzt, die später unter Umständen eingezogen werden können.
Die vier Beschuldigten sollen, so haben es die seit über eineinhalb Jahren andauernden Ermittlungen ergeben, den Staat um Einnahmen in Millionenhöhe gebracht haben, indem sie Heizöl aus Deutschland als Dieselkraftstoff in Polen verkauften.
Deutsche und polnische Strafverfolgungsbehörden hätten die insgesamt neun Beschuldigten – zeitgleich gab es weitere Verhaftungen in Polen – schon länger wegen des Verdachts der Hinterziehung von Energie- und Umsatzsteuer beim Handel mit Mineralöl im Visier gehabt. Ihnen wird jetzt bandenmäßige Steuerhinterziehung mit einem derzeit bekannten Steuerschaden von rund 100 Millionen Euro allein in Deutschland sowie gewerbs- und bandenmäßige Geldwäsche zur Last gelegt.
Nach derzeitigem Ermittlungsstand haben die Täter zwischen August 2014 und April 2018 von Berlin aus über 6000 Heizöl-Transporte über verschiedene Routen in Richtung Polen organisiert. Dabei hätten sie sich sehr professionell angestellt, sagt der Zoll-Sprecher. Die Lieferscheine der polnischen Speditionen seien gefälscht und auf Litauen ausgestellt gewesen. Das in Deutschland niedrig versteuerte und zur Kennzeichnung rot eingefärbte Heizöl sei in speziellen Anlagen in Polen wieder entfärbt und anschließend unversteuert auf dem polnischen Markt als Diesel verkauft worden.
"Die Besteuerung bei einer Verwendung als Dieselkraftstoff ist in Deutschland und Polen um ein Vielfaches höher als die Besteuerung für Heizöl", heißt es seitens des Zolls. Heizöl weise fast die gleichen Eigenschaften wie Dieselkraftstoff auf, sodass der Betrug, nachdem das Öl entfärbt worden ist, nicht auffiel. Der vermeintliche Dieselkraftstoff sei dann über Tankstellen weitervertrieben worden.
Es habe lange gebraucht, um den Schwindel beweisfähig zu machen, sagt Pressesprecher Christian Lanninger. Die Staatsanwaltschaft Berlin führt die Ermittlungen in enger Zusammenarbeit mit der polnischen Justiz und den polnischen Zollfahndungsbehörden unter Einbindung der europäischen Ermittlungs-Koordinierungsstelle Eurojust.
Zu einem möglichen Strafmaß will sich die Berliner Staatsanwaltschaft derzeit nicht äußern. "Das wäre reine Spekulation", sagte deren Sprecher Martin Steltner am Mittwoch.