Das erste Gespräch führt er mit Admiral Theodor Hoffmann, dem Verteidigungsminister der Modrow-Regierung. Von dem bekommt er auch einen Passierschein für die Wache des Ministeriums in der Prötzeler Chaussee in Strausberg. Ab 18. April hatten auch der neue Hausherr, der Minister für Abrüstung und Verteidigung der DDR, Rainer Eppelmann, und sein Staatssekretär Werner E. Ablaß, ihre Büros in diesem Haus.
Eppelmann, der lieber für 18 Monate ins Gefängnis ging, als auch nur den Spaten der Bausoldaten auf den Schulterstücken einer Uniform zu tragen, war Verteidigungsminister des Landes geworden. Und auf Werner E. Ablaß, der 1985 seines Amtes bei der Staatlichen Versicherung der DDR enthoben wurde, weil er einen Ausreiseantrag gestellt hatte, wurde ein Diplomatenpass ausgestellt.
Mit Blick auf die damalige Regierungsbildung sagt Ablaß nicht ohne Stolz: "Wir waren alle keine Berufspolitiker, wir hatten keine Ahnung von dem, was uns da alles bevorsteht. Aber wir wollten vor unseren Wählern und dem ganzen Volk Verantwortung übernehmen und es bessermachen als die Vorgänger."
Angela Merkel war im Team
Der kleinste Koalitionspartner der neuen Regierung – der Demokratische Aufbruch – stellte mit Eppelmann einen Minister, sechs Staatssekretäre und unter anderem auch eine junge stellvertretende Regierungssprecherin, die wie Ablaß aus Mecklenburg kam: Angela Merkel.
Während sich die meisten Jungpolitiker zunächst Osterfeiertage mit der Familie gönnten, strapazierte Ablaß im Gästehaus des Ministeriums die Nachrichtenverbindungen, die dort für DDR-Verhältnisse hervorragend funktionierten. Seine damals hochschwangere Frau Judith sollte in den nächsten Monaten nicht allzu viel von ihrem Mann haben. "Ich habe herumtelefoniert, um zuverlässige und engagierte Mitarbeiter zu rekrutieren", erinnert sich der heute 73-Jährige.
Viele hätten abgewunken, viele auch gefragt: "Was verdiene ich denn da?" Die schieden gleich aus. Zwei Tage nach Ostern wurden Minister Eppelmann, sein Stellvertreter Werner E. Ablaß, der Parlamentarische Staatssekretär Bertram Wieczorek, der Staatssekretär für Abrüstung Frank Marczinek, der neue Soldatenbeauftragte Michael Hahn sowie der Umweltbeauftragte Klaus Gillle ins Amt eingeführt.
Vor den führenden Generalen der Nationalen Volksarmee standen sieben Zivilisten, die künftig das Sagen haben würden. Lediglich Frank Marczinek hatte eine militärische Vorbildung, er war dereinst als Oberleutnant der jüngste Kompaniechef der NVA. Der vorherige Minister, Admiral Theodor Hoffmann, wurde Chef der NVA und damit oberster Soldat. Die Führung aber war jetzt zivil.
"Vom ersten Tag im Ministerium an spürten wir auf allen Ebenen eine große Loyalität", blickt Werner Ablaß heute zurück. Schon am 20. April standen der Oberkommandierende des Warschauer Paktes, Armeegeneral Pjotr G. Luschew, sowie der Chef der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland, Armeegeneral Boris W. Snetkow, auf der Matte, um die Neuen in Strausberg zu beschnuppern.
Misstrauische Sowjet-Generäle
Sie machten aus ihrem Misstrauen den Zivilisten gegenüber keinen Hehl, erinnert sich Ablaß. Wichtig seien ihm damals die Kompetenz und Erfahrung der führenden Generale geworden, gerade, was die Beziehungen zur Sowjetarmee und dem Warschauer Pakt betraf. So reiste der damalige Chef des Hauptstabes der Nationalen Volksarmee, Generalleutnant Manfred Grätz, bereits am 23. April nach Moskau, um mit seinem sowjetischen Amtskollegen, Armeegeneral Michail A. Moissejew, über die neue militär-politische Lage in der DDR und sich daraus abzeichnende Konsequenzen für die Beziehungen zu informieren.
Grätz erklärte in Moskau – so wie es mit Ablaß abgestimmt hatte – dass die Mehrheit der DDR-Bevölkerung für eine grundlegende politische Wende sei und auch eine schnelle Vereinigung beider deutschen Staaten befürworte. Als Führung der NVA sehe man dieser Tatsache ins Gesicht: "Wir akzeptieren das Wahlergebnis, werden uns loyal zur neuen Regierung verhalten und uns nach ihren Entscheidungen richten."