Der aktuelle Vorfall sollte sich jedoch noch zuspitzen. Der Schütze wurde am Tag nach dem Fund am Tatort entdeckt, als er das Tier – einen fünf Jahre alten Bullen, der um die 300 Kilo wog – bereits fast vollständig  ausgeweidet hatte. "Bei seiner Festnahme behauptete er noch, dass er den Wisent mit einem Wildschwein verwechselt habe. Doch dann stellte sich heraus, dass er den Bullen aus einer Entfernung von etwa 20 Metern mit einem gezielten Schuss ins Herz getötet hatte", berichtet Aleksandra Smaga.
Und mehr noch: "Die Polizei entdeckte, dass er schon jede Menge Fleisch in einem Kühlschrank eingefroren hatte. Und es stellte sich heraus, dass der Mann als Förster in der Försterei Lobez tätig war." Eigentümlicherweise war davon in einer Stellungnahme, die der staatliche Forstwirtschaftsbetrieb am vergangenen Donnerstag herausgegeben hatte, noch immer nicht die Rede gewesen.
"Aufgrund der Schwere des Vorfalls erließ ein Richter Haftbefehl. Seither befindet sich der Schütze in Untersuchungshaft. Er muss nicht nur mit einer hohen Geld- und eventuell auch Haftstrafe rechnen. Sondern er wurde am Freitag auch noch aus dem Forstbetrieb entlassen", hat Aleksandra Smaga erfahren.
Der Bericht der Umweltschützerin aus Stettin dominierte am Montag das Auftakttreffen eines EU-Projekts, in dem Berliner, Brandenburger und polnische Umweltschützer und Forscher ein grenzüberschreitendes Management für den Umgang mit Elchen und Wisenten erarbeiten wollen (siehe Infokasten).
Die Mitarbeiterin des WWF Deutschland, Nina Gandl, zeigte sich bestürzt über diesen Fall von Wilderei. "Gleichzeitig bin ich positiv überrascht, wie konsequent dieser Vorfall von den polnischen Behörden behandelt wird", sagte sie unserer Zeitung.
Der Vorfall weckt natürlich Erinnerungen an den Abschuss eines Wisents, der vor fast genau zwei Jahren – freilich unter völlig anderen Umständen – in Lebus (Märkisch-Oderland) erfolgt war. In dem kleinen Ort, der direkt an der Oder liegt, war man überrascht über das Auftauchen eines noch kräftigeren Bullens gewesen, der durch den Grenzfluss nach Brandenburg geschwommen war.
Weil man Gefahren für den Straßenverkehr vermutete und keine Möglichkeit zur Betäubung des Tieres hatte, ordnete der Amtsdirektor den Abschuss an. Seinerzeit hatte der WWF umgehend Strafanzeige gegen den Amtsdirektor gestellt, aus Polen gab es zudem heftige Reaktionen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) stellte die Ermittlungen mit der Begründung ein, dass der Abschuss unter den konkreten Umständen nachvollziehbar gewesen sei. Später wurde bekannt, dass im Gebiet um Stettin schon fast 300 Wisente leben.

EU-Schutzprojekt mit Brandenburgern startet

Der Wisent ist eine bedrohte und streng geschützte Art. Nachdem er in Mitteleuropa fast ausgerottet war, gibt es in Polen inzwischen über 1600 Tiere, davon etwa 300 in Grenznähe zu Deutschland. Unter Leitung des Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg hat am Montag ein dreijähriges EU-Projekt zum Elch- und Wisent-Monitoring begonnen, an dem auch Forscher von der Humboldt-Universität Berlin, die Umweltschutzorganisation WWF, die Westpommersche Natur-Gesellschaft aus Stettin und weitere Partner beteiligt sind. Ziel ist es, mehr Verständnis für die Tiere zu wecken.  ds