Heiße Sommertage und Berichte über die gesundheitsschädigende Großstadthitze haben mich nicht nur als Journalistin, sondern auch persönlich neugierig gemacht auf die verschiedenen Eiskammern und Kältesaunen, die in den vergangenen Jahren in Berlin eröffnet haben.
Der „Cryosizer Club B1“ zum Beispiel befindet sich in einem kleinen Ladengeschäft in der Bleibtreustraße in Charlottenburg und wirkt wie eine Physiotherapie-Praxis. Mitbringen muss man etwa 15 Minuten Zeit, Geld oder Kreditkarte und den Mut, seinen Körper in drei Minuten bis zu minus 150 Grad auszusetzen.
Bevor es losgeht, soll ich – ähnlich wie eine Neupatientin beim Arzt – ein Formular zu eventuellen Vorerkrankungen ausfüllen. Ich habe weder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, noch eine Blasenentzündung oder Kälteallergie, was den Besuch verbieten würde. Auch eine Grippe, die sich ankündigt oder schon da ist, wäre kontraproduktiv, erfahre ich. „Die Regeln sind so ähnlich wie beim Besuch einer Wärmesauna“ erklärt mir Dr. Yasmin Buchäckert.
Kryotherapie wird im Sport und im Wellness-Bereich angewendet
Dass die 41-jährige Filial-Chefin einen Doktor in Humanbiologie hat, gibt mir ein beruhigendes Gefühl. Was ich schon recherchiert habe: Bevor die Kryotherapie den Sport- und Wellnessbereich erobert hat, wurde sie schon zwei Jahrzehnte lang in der Medizin angewendet. Derzeit bietet beispielsweise das Immanuel Krankenhaus in Berlin Ganzkörper-Kältetherapien an, die nach fast identischem Schema wie die kommerziellen Angebote funktionieren.
„Eine Behandlung mit Ganzkörperkälte kann Schmerzen lindern, hemmt Entzündungsprozesse und wird zum Beispiel bei Rheuma angewendet“, erklärt Yasmin Buchäckert, bevor sie mir den Weg zur Umkleidekabine weist.
Mit Unterwäsche in die Kältesauna
Die Unterwäsche kann ich anlassen. Für die Füße gibt es Überzieher und dicke Filzschuhe. Einige andere Anbieter von geschlossenen Kältekammern bitten ihre Kunden, dicke Socken, Handschuhe und Brillen mitzubringen. Bei der Cryosauna in der Bleibtreustraße brauche ich das nicht. Nachdem ich die senkrecht stehende Röhre betreten habe, fährt mich eine Art Fahrstuhl hoch, bis mein Kopf oben hinausragt. Die Hände soll ich während der dreiminütigen Anwendung locker gefaltet in Augenhöhe halten und mich selbst langsam um die eigene Achse drehen.
Dann drückt die Chefin auf Start. Nebel steigt auf. Die Kälte, die nun in meinem Körper wabert, ist so trocken, dass ich keine Nadelstiche wie zum Beispiel nach dem Sprung ins kalte Wasser fühle. Beim Kaltduschen oder selbst beim Eisbaden arbeitet der Körper noch gegen die Kälte an. Durch die extremen Temperaturen in der Kältekammer und den Eissaunen wird der Körper jedoch ausgetrickst und schaltet sofort in den Überlebensmodus. „Das Blut wird aus den Armen und Beinen abgezogen und zum Schutz der Organe um diese gesammelt und mit Nährstoffen und Sauerstoff angereichert“, erklärt mir Yasmin Buchäckert.
Angesichts dieser Beschreibung und der Stickstoffnebel-Wolke um meinen Kopf habe ich kurzzeitig Angst, dass ich in Schnappatmung verfalle. Doch die Studio-Chefin redet ruhig mit mir weiter und lenkt mich damit auch ab. Die Temperatur sinkt gefühlt langsam, aber stetig von -50, auf -100 und ich bin erstaunt, wie gut sich das aushalten lässt.
Gut für die Fettverbrennung
Als sich bei -150 Grad dann plötzlich ein unangenehmer Druck auf den Schienbeinen aufbaut und die Ellbogen leicht anfangen zu schmerzen, ist auch schon Schluss. Die drei Minuten sind um. Meine Körpertemperatur hat sich um mehrere Grade heruntergekühlt, stellt Yasmin Buchäckert mit einem Infrarot-Thermometer fest.
Das ist auch besonders gut für die Fettverbrennung. Denn der Körper will nun wieder aufheizen, der Stoffwechsel arbeitet auf Hochtouren. „So kann man in den kommenden Stunden bis zu 800 Kalorien verbrennen“, wird mir erklärt. Wenn ich den Effekt voll ausschöpfen wolle, sollte ich allerdings die nächsten vier Stunden nichts essen. Ruhen muss ich aber nicht, sondern könne den Frische-Kick und die Endorphine, die mein Körper nun freisetze, weil er überlebt hat, nutzen, um noch Sport zu treiben.
Bei Cryosizer, das 2015 an den Markt ging und in der Szene als Pionier gilt, wird das Ganze deshalb auch „Kältetraining“ genannt. Einer breiten Öffentlichkeit wurde der sportliche Nutzen der Kryptotherapie schon 2014 bekannt, als Fußball-Nationalspieler Per Mertesacker nach dem WM-Achtelfinale gegen Algerien erhitzt auf die Fragen eines Reporters konterte: „Ich lege mich jetzt drei Tage in die Eistonne, und dann werden wir das Spiel in Ruhe analysieren.“
Im Profisport werde das Verfahren angewandt, weil es für schnellere Regeneration sorgt, erklärt Buchäckert. Um aber langfristig effektiv Fett abzubauen, empfiehlt sie eine regelmäßige Anwendung von mindestens dreimal die Woche. Das könnte aber ähnlich wie ein Vertrag im Luxus-Finessstudio ordentlich ins Geld gehen. Die Preisspanne liegt je nach Anbieter und Vertrag zwischen 20 und 40 Euro pro Anwendung.
Monatliche kündbare Flatrate
Bei Cryopoint nur wenige Schritte weiter in der Uhlandstraße, wo sich Kunden in eine Ganzkörperkammer mit -110 Grad stellen, kann man eine Probe-Session für 19,90 Euro buchen oder gleich einen monatlichen Flatrate-Vertrag für 99 Euro unterschreiben. „Ich finde das ok, weil es monatlich kündbar ist“, sagt eine 51-jährige Kundin, die wie ihr Mann derzeit täglich in die Kältekammer steigt. Heute nutzt sie dazu sogar die Mittagspause. „Ich habe keine gesundheitlichen Probleme, die ich damit abmildern will, aber ich fühle mich danach einfach fitter und kann unter anderem besser schlafen“, berichtet die Berlinerin.
Ich selbst fühle kurz nach der Anwendung noch etwa eine halbe Stunde lang ein leichtes Frösteln. Die typische Nachmittagsmüdigkeit, die ich noch kurz vor dem Besuch gespürt hatte, ist weg. Trotz voller Einkaufstüten schaffe ich den Weg in meine Altbauwohnung im vierten Stock heute ohne Zwischenstopp.
So beschließe ich, mich in der vierstündigen Fastenzeit noch ein paar Runden auf Inlineskates moderat zu bewegen und natürlich dabei – wie auch von den Eissauna-Betreibern dringend empfohlen – viel Wasser zu trinken. Erst am Abend, rund sieben Stunden nach dem Eis-Saunieren, übermannt mich plötzlich eine fast schon bleierne Müdigkeit und lässt mich etwas früher als gewohnt in einen tiefen Schlaf sinken.
Mein persönliches Fazit: Eissaunieren sorgt für ein besseres Fitnessgefühl, ist auch für Frostbeulen auszuhalten, aber man sollte vielleicht keine Wunder erwarten.