Gegen 15 Uhr war am Mittwoch allen Beteiligten die Erschöpfung anzumerken. Seit dem Morgen wurde in Saal 320 des OVG in Berlin engagiert aber fair über die Auslegung auch einzelner Worte des märkischen Kita-Gesetzes gestritten. Es ging um viel. Der 6. Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Joachim Buchheister verhandelte über Fälle, die jeweils hoch komplex sind und Signalwirkung für andere bei Gerichten liegende Klagen von Müttern und Vätern haben können.
Der Prenzlauer Rechtsanwalt Andreas Brandt rügte im Namen von Mandanten aus Wustermark, Tauer und Altlandsberg eine Fülle möglicher Mängel in den kommunalen Kita-Satzungen. Sind die Rabatte für Geschwisterkinder berücksichtigt? Wird das Essensgeld korrekt abgerechnet? Sind die Landes-Zuschüsse für die Gemeinden korrekt in die Elternbeiträge einkalkuliert? Sind manche Höchstbeiträge womöglich auf rechtswidrige Weise zu hoch? Um diese Fragen drehte es sich.
Und es fielen Sätze wie: "Es geht nicht um 16/3. Entscheidend sind 15, 17 und die Kita-BKNV." Für Laien völlig unverständlich, aber wohl der Schlüssel zur Entscheidung eines zentralen Streitpunkts. So argumentieren Eltern und deren Anwälte schon länger mit Verweis auf Paragraf 16, Absatz 3 des Kita-Gesetzes, dass die Gemeinden Mietkosten für Kita-Gebäude übernehmen müssten und nicht an die Eltern weiterreichen dürften. Die Kommunen tun dies aber, und zwar mit Verweis auf die Paragrafen 15 und 17. In ihnen ist geregelt, dass die Eltern über Beiträge an den Betriebskosten der Einrichtungen beteiligt werden können. Und was Betriebskosten sind, steht in der BKNV, der Betriebskosten- und Nachweisverordnung. Dort heißt es in Paragraf 2, Absatz 1, Punkt b, dass auch eine rein rechnerisch ermittelte Miete für ein gemeindeeigenes Grundstück Teil der Betriebskosten und damit auch der Elternbeiträge sein könne. Das OVG sagt dazu: Richtig so.
"Für die Eltern ist das bitter", sagt Jens M. Schröder, einer ihrer juristischen Vertreter, über die OVG-Entscheidungen, gegen die keine Revision zugelassen wurde. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung ist möglich. Das schriftliche OVG-Urteil soll in rund zwei Wochen vorliegen. "Das Gericht öffnet mit den Entscheidungen der Willkür Tür und Tor. Es spricht den Eltern das Recht ab, fragwürdige Verwaltungsbescheide anzufechten."
Mit dieser Aussage bezieht sich Schröder, der in der Vergangenheit bereits mehrere juristische Erfolge für Eltern erzielen konnte, insbesondere auf einen Punkt, den auch der Vorsitzende im Verhandlungsverlauf kritisch gesehen, aber am Ende offenbar nicht für entscheidungsrelevant gehalten hatte. So sind die Landkreise angehalten, rund 84 Prozent der Kita-Personalkosten in einer Einrichtung als Landes-Zuschüsse an die Gemeinden weiterzureichen. Bei manchen Kommunen kommen aber nur 60 Prozent an, bei anderen 79 Prozent. Die Differenz gehe zu Lasten der Eltern und erhöhe die Beiträge. Trotzdem räume das OVG den Eltern nicht das Recht ein, auf die 84 Prozent zu pochen, kritisierte Schröder.
Der Vize-Bürgermeister von Altlandsberg zeigte am Rande der Verhandlung Verständnis für den Frust vieler Familien über teilweise hohe Beiträge. "Aber sie sind Ergebnis politischer Entscheidungen und nicht fehlerhafter Berechnungen unserer Verwaltung", betonte Carl Grünheid. Die Kommunen hätten kraft ihrer Selbstverwaltung politische Gestaltungsmöglichkeiten.
Problematisch ist in seinen Augen, dass das Kita-Gesetz zu viel Auslegungs-Spielraum biete und das Land seine Kita-Zuschüsse nicht nach den tatsächlichen Kosten bemesse sondern nach einem theoretischen Schlüssel. Die Kommune müsse Geld dazu schießen, um die Betreuungsqualität aufrecht zu erhalten, sagte Grünheid. Auch das sei ein Grund für gestiegene Beiträge.

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