Erst am Donnerstag hatten wir über das Schicksal der 25-jährigen Franziska Anemüller berichtet, die aufgrund dieses Problems nur als Praktikantin und nicht als vollwertige Medizinerin am Werner-Forßmann-Klinikum in Eberswalde arbeiten kann. Die Brandenburger Zulassungsbehörde begründet ihre Bedenken bisher damit, dass Anemüller und andere Absolventen zwei Zusatzbedingungen nicht erfüllen, die in Polen erst seit April 2019 für die Zulassung zum Arzt gestellt werden: ein 13-monatiges Praktikum in einer polnischen Klinik und eine mündliche Prüfung zu ethischen Fragen.
Bisher hatte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) auf eine Sondervereinbarung der Gesundheitsministerien aus Berlin und Warschau gedrängt, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Jetzt hat der Bundesgesundheitsminister – offensichtlich auch beeinflusst durch die Berichterstattung in unserer Zeitung – in einem Brief an Nonnemacher und ihre Ressortkollegen in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern mit eindringlichen Worten eine Lösung aufgezeigt. Angesichts der Corona-Krise "müssen wir uns darauf einstellen, dass wir alle brauchen, die bei der Versorgung der Erkrankten helfen können", erklärt der CDU-Politiker in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt.
Spahn empfiehlt den Bundesländern eine Vorgehensweise, wie sie bereits Norwegen mit Polen vereinbart habe: eine Gleichwertigkeitsbescheinigung der Abschlüsse. "In der gegenwärtigen Ausnahmesituation könnten Sie deshalb erwägen, die Approbationserteilung jetzt unmittelbar vorzunehmen" und die Modalitäten der Gleichwertigkeitsbescheinigung anschließend "mit den polnischen Amtskollegen klären" rät Spahn.
Franziska Anemüller machte am Freitag vor Freude einen Luftsprung, als sie von der Existenz dieses Briefes und seinem Inhalt erfuhr. Für sie könnte sich ihr langgehegter Traum, nach dem sechsjährigen Studium auch als Ärztin tätig zu sein, endlich erfüllen.
Ebenso erfreut zeigte sich der Ärztliche Direktor des Klinikums in Schwedt, Professor Rüdiger Heicappell. Auf seine Initiative war der kooperative Studiengang mit der polnischen Universität entstanden. Die deutschen Studierenden absolvieren dabei ihr Praktikum in Kliniken des Asklepios-Konzerns in Brandenburg und Vorpommern. "Ich bin froh, über diesen außerordentlich vernünftigen Vorstoß von Herrn Spahn", sagte Heicappell am Freitag.
Freilich obliegt die endgültige Entscheidung den Brandenburger Behörden. Ein Sprecher von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher bestätigte den Eingang des Briefes von Spahn. Die Frage, ob man den vom Bundesminister vorgeschlagenen Weg gehen werde, konnte er bis zum Abend noch nicht beantworten.