Nach zwei Amtszeiten als Landespfarrer für Polizeiseelsorge nimmt Sven Täuber jetzt seinen Hut, arbeitet künftig wieder als ganz normaler Pfarrer im Süden Berlins.
Im Gespräch mit dieser Zeitung zieht der 56-Jährige voller Leidenschaft Bilanz und fängt damit im Hier und Jetzt an. "Endlich, endlich soll Brandenburg eine Beschwerdestelle für Polizistinnen und Polizisten bekommen", nimmt Täuber Bezug auf die Verhandlungen über eine "Kenia"-Koalition. "Aber, bitte, diese Stelle darf nicht bei der Polizei und nicht im Innenministerium angesiedelt werden, sondern im Landtag", appelliert der Pfarrer an SPD, CDU und Grüne. Nur so sei gewährleistet, dass Missstände nicht unter die Decke gekehrt werden.
Fehlende Fehlerkultur
Denn ungelöste Probleme gebe es durchaus, betont Täuber. Eine interne Fehlerkultur fehle der Polizei genauso wie ein  gesetzliches Führungssystem, das den Beamten zum Beispiel den Anspruch auf ein jährliches Mitarbeitergespräch garantiere. Dass Kollegen um die 60 noch im Mehrschichtsystem Streife fahren müssen, sei ebenfalls bedenklich. Aber Täuber will insgesamt nicht meckern.
Oder doch, auf einen Punkt kommt er immer wieder zurück. "Das größte Problem der Brandenburger Polizei ist die Untätigkeit der hiesigen Justiz", klagt er. Täuber erzählt von Polizisten, die in kürzester Zeit immer wieder dieselben Straftäter aufgreifen, weil die nach Vergehen ohne zeitnahe Sanktionen ihrer Wege gehen könnten.
Er berichtet von Beamten, die beleidigt, bespuckt und angegriffen werden, ohne dass dies juristische Konsequenzen habe. Das sei auch der Grund dafür, dass Respektlosigkeiten gegenüber Einsatzkräften zunehmen, findet der Pfarrer. Vor allem aber sei es für die Beamten frustrierend. "Ich wünsche mir, dass Staatsanwälte und Richter mal mit auf Streife gehen und erleben, was den Einsatzkräften widerfährt."
Täuber erinnert an einen Fall, mit dem er sich  besonders intensiv beschäftigt hat: Die Polizistenmorde von Oegeln 2017. "Wie soll man das den Witwen der beiden Beamten erklären, dass da ein Intensivtäter frei herumlief, der gleich mehrfach gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen hatte?", fragt der Seelsorger. Er sei in jener Zeit immer wieder nach Oder-Spree gefahren, um den Familien und den Kollegen Beistand zu leisten. Rund 50 000 Kilometer war der Seelsorger pro Jahr mit dem Auto im Land unterwegs, von Einsatzort zu Einsatzort, von Wache zu Wache.  "Manchmal hat es länger gedauert. Ich hatte immer einen Schlafsack dabei."
Sven Täuber ist stolz auf das Netzwerk, das er sich erarbeitet hat. Als kürzlich Beamte auf dem Berliner Ring von einem Mörder auf der Flucht bedroht wurden und sie ihn erschießen mussten, habe er innerhalb von zehn Minuten einen Anruf bekommen. Am Einsatzort sei es darum gegangen, mit den Polizisten unter Wahrung des Beichtgeheimnisses zu sprechen. "Als Seelsorger habe ich die Betroffenen stabilisiert, ihnen gesagt, dass sie alles richtig gemacht haben, der Einsatz lehrbuchmäßig gelaufen ist."
Froh mache es ihn, dass die Brandenburger Polizei nach schwierigen Jahren nun unter Innenminister Karl-Heinz Schröter zur Ruhe gekommen sei, betont Täuber. Als Beispiel für den Kulturwandel unter dem SPD-Politiker verweist Täuber darauf, dass Schröter an den jährlichen Gedenkgottesdiensten für verstorbene Einsatzkräfte teilnehme und die Namen der Toten vorlese. Das sei ein wichtiges Zeichen der Anerkennung.
"Der Polizistenberuf ist stressig", betont der Seelsorger. Zu Zeiten der Polizeireform seien pro Jahr bis zu 33 Beamte aus den verschiedensten Gründen vor dem Erreichen des Rentenalters gestorben. Inzwischen sei diese Zahl auf zwölf gesunken. Ein Verdienst Schröters, findet Täuber.
Ob dieser und anderer Verbesserungen habe er nichts dagegen einzuwenden, dass seine Tochter Polizistin in Brandenburg geworden ist, erzählt Sven Täuber mit einem Lächeln. Und die Ausbildung in Oranienburg, das wisse er aus eigener Erfahrung, sei sowieso super. Der Pfarrer hat an der Fachhochschule der Polizei Vorlesungen zur Berufsethik gehalten. "Die Polizei ist eine Menschenrechtsorganisation", habe er den angehenden Beamten vermitteln wollen.
Täuber ist überzeugt, dass die Botschaft ankommt. Deeskalation stehe für märkische Polizisten auch bei schwierigen Einsätzen an erster Stelle. "Diese Ruhe bewundere ich. Aber das wird auch so gelernt: Nicht schießen, sondern die Leute runterquatschen!"

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