Viele Gastwirte und auch Gäste gingen verantwortungsvoll mit der Situation in der Corona-Pandemie um. "Aber wir sehen eben auch das Gegenteil - von der Eckkneipe bis zum Sterne-Lokal", beklagte Müller. Abstandsregeln würden nicht beachtet, Anwesenheitslisten zur Kontaktnachverfolgung gar nicht oder unter Missachtung des Datenschutzes geführt.
Vertreter des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), die als Gäste an der Senatssitzung teilnahmen, sicherten Müller zufolge Unterstützung zu. So wolle der Verband den Wirten noch einmal nahe bringen, wie man Anwesenheitslisten korrekt führt und warum das auch im Interesse der Gäste liege. Denkbar sei auch eine Aufklärungskampagne mit Plakaten, Postkarten oder Radiospots.
Er plädiere für eine Kampagne, "die ein bisschen wachrüttelt", so Müller. Denn: "Wenn mit den Regeln nicht durchsetzbar ist, was uns wichtig ist, wenn die Infektionszahlen steigen (....), wenn das nicht anders geht, muss man vielleicht die nächsten Lockerungen verzögern, aussetzen oder sogar Dinge zurücknehmen."
Das freilich könne niemand wollen, sagte Müller und verwies auf die „schlimme wirtschaftliche Situation“ in Gastronomie und Hotellerie. Weitere Insolvenzen seien zu befürchten, wenn nicht Tourismus, Reisetätigkeit und Flugverkehr wieder anspringen. „Insofern will keiner eine Rücknahme unserer Lockerungen, sondern wir wollen, dass unsere Regeln eingehalten werden.“
Auf den Vorstoß von Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne), ein Übertragungsverbot in Kneipen für Fußballspiele der Champions League zu verhängen, reagierte Müller zurückhaltend. Er finde die Idee „nicht ganz so überzeugend“, weil ja auch an jedem anderen Tag Gäste in Lokalen trinken und Regeln missachten könnten. „Da muss man, glaube ich, eher einen grundsätzlichen Weg verabreden. Lässt man dieses Angebot an Sportsbars zu? Ja oder nein? Wenn ja, mit welchen Auflagen?“
Bei der Übertragung des Champions-League-Spiels Bayern München gegen Barcelona am vergangenen Freitag waren Fußballfans in Berlin-Mitte massiv durch Verstöße gegen die Corona-Regeln aufgefallen.

Alkoholverbote wegen Corona

Zumindest begrenzte Alkoholverbote in Berlin bleiben für den Senat eine Option. Ein entsprechender Beschluss ist bei der Sitzung am Dienstag aber noch nicht gefallen. „Wir haben dazu noch keine abschließende Meinung, nicht nur, weil es ein harter Eingriff ist. So eine Regel muss man dann auch durchsetzen“, sagte Müller.
Man könne aber nicht sehenden Auges zulassen, dass aus Gaststätten heraus oder in Spätis Alkohol verkauft werde und es dann auf der Straße Partys gebe. „Insofern kann man an ausgewählten Orten, wo man so etwas verstärkt beobachtet oder bei Gastronomen, die so agieren, einschreiten. Man kann es jetzt schon, man kann auch noch einen draufsetzen.“ Für bestimmte Orte, sogenannte Party-Hotspots, sei dann auch ein Alkoholverbot denkbar.
Für die Durchsetzung sei nach wie vor der jeweilige Bezirk zuständig, sagte Müller. „Der Innensenator hat mehr oder weniger in Amtshilfe mit den Bezirken und Ordnungsämtern Kontakt aufgenommen.“ Für die Ordnungsämter gebe es auch bereits zusätzliches Personal, das die Einhaltung der Corona-Regeln kontrollieren soll. Wenn neue Regeln eingeführt würden, müsse klar sein, dass man sie dann auch mindestens exemplarisch durchsetzen könne, sagte Müller. „Denn es muss sich bei den Betroffenen auch ein Lerneffekt einstellen, dass wir es ernst meinen.“ Das Thema werde in der nächsten oder einer der nächsten Senatssitzungen noch einmal eine Rolle spielen, kündigte der Regierende Bürgermeister an.

Kostenpflichtige Tests für Reiserückkehrer

Ein weiteres Thema der Sitzung waren die Covid-19-Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten. Müller hält eine Kostenpflicht für überlegenswert. „Ich finde, darüber muss man reden“, sagte er. „Was wir im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung machen, muss von einer Gemeinschaft getragen werden“, argumentierte der SPD-Politiker.
„Es sind einige unterwegs, die reisen bewusst in Risikoländer, sitzen wie Ölsardinen im Flugzeug nebeneinander - zwei, drei Stunden hin und zwei, drei Stunden zurück.“ Und die gingen dann zu einer Teststelle und wollten den Test selbstverständlich kostenlos in Anspruch nehmen.
„Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, dass die Folgen von Corona uns noch sehr lange begleiten - Monate, möglicherweise Jahre“, sagte der Regierungschef. „Wir werden Regeln haben, die vielleicht sogar dauerhaft gelten oder zumindest sehr langfristig.“ Insofern sei es richtig, sich rechtzeitig zum Beispiel damit auseinanderzusetzen, wie man mit Reisen in Risikogebiete umgeht, wie mit den Testverfahren und mit den anfallenden Kosten.
Corona-Tests sind für Rückreisende aus einem vom Robert Koch-Institut als Corona-Risikogebiet eingestuften Land verpflichtend. Teststellen gibt es an den beiden Berliner Flughäfen, am Zentralen Omnibusbahnhof und seit Montag auch am Hauptbahnhof.

Einheitliche Corona-Regeln für Feiern

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) befürwortet zudem bundesweit einheitliche Regeln für Feste und Feiern während der Corona-Krise. „Es ist seit Monaten bekannt, dass ich immer ein Freund von einheitlichen Verfahren und Regeln bin. Ob es geht, muss man sehen“, sagte Müller. „Ich würde es gut finden, wenn es zumindest eine weitgehende Abstimmung gibt, aber wir haben da ja Erfahrungen gesammelt, dass es nicht immer klappt.“
Der Ärzteverband Marburger Bund hatte im Kampf gegen das Coronavirus bundesweit einheitliche Vorgaben für Feste und Feierlichkeiten gefordert. „Um Ansteckungsrisiken auch im Herbst und Winter zu verringern, sollten sich die Länder bald auf einheitliche Regeln für private und öffentliche Feiern aller Art verständigen“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Wichtig seien etwa Obergrenzen für Gäste und Konzepte fürs Lüften.
Bayerns Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) sagte der Deutschen Presse-Agentur in München am Dienstag, das Thema müsse im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz diskutiert werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor darauf hingewiesen, dass Feierlichkeiten neben den Ansteckungen durch Reiserückkehrer zu den größten Gefahrenquellen in Deutschland zählten. Deshalb müsse man mit den Ländern noch einmal über die Grenzen und Regeln für Veranstaltungen reden. In den Bundesländern gelten ganz unterschiedliche Regelungen. Zum Teil sind inzwischen wieder Innenveranstaltungen mit mehreren Hundert Teilnehmern erlaubt.