Der Medienkonzern The Walt Disney Company (Benelux) muss seine Nutzungsbedingungen für seine Streaming-Plattform Disney+ ändern. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt Lars Dräger. Für den Cottbuser hat es jetzt eine unerwartet und positive Überraschung gegeben. Auslöser dafür war ein juristischer Streit, der auf eine Nachfrage von Lars Dräger zurückgeht.
Eine Klausel zur einseitigen Preisanpassung, die beim Streamingdienst Disney+ nicht transparent genug war, muss nach einem Urteil des Landgerichtes Potsdam jetzt neu geschrieben werden. „Bei der angegriffenen Vertragsgestaltung konnten Verbraucher eventuelle Preiserhöhungen zum Zeitpunkt ihres Vertragsschlusses überhaupt nicht abschätzen“, sagt Michèle Scherer, Expertin für Digitales bei der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB).
Lars Dräger freut sich, dass jetzt alle Kunden davon profitieren. Und das dank eines „kleinen Verbrauchers“, wie er sich selbst nennt.
Cottbuser sagt: als Kunde „nicht ernst genommen“
Angefangen hat alles vor über einem Jahr. Der Cottbuser hatte eine E-Mail von der Streaming-Plattform Disney + erhalten. Er sollte fast 30 Prozent mehr für sein Jahresabo bezahlen. „Ohne Angabe von Gründen“, sagt er. Dräger hatte früher als Kundenberater für verschiedene Unternehmen gearbeitet und wusste daher, wie er vorgehen konnte. Lars Dräger schrieb dem Kundendienst einen argumentierenden Brief und zitierte einen Präzedenzfall beim Streaming-Konkurrenten Netflix, der dabei ebenfalls juristisch unterlegen war (siehe Infokasten). Der Cottbuser bekam aber keine befriedigende Erklärung, sondern lediglich den Hinweis, dass er sein Abonnement kündigen könne.
„Wenn man so eine Antwort bekommt, fühlt man sich irgendwo nicht gesehen, nicht ernst genommen“, sagt er. Für ihn ist die Streaming-Plattform kein Luxus, nicht nur seine Kinder nutzen sie: „Ich bin erwerbsunfähig und aus gesundheitlichen Gründen ans Haus gebunden. Das Fernsehen ist im Moment meine einzige Fluchtmöglichkeit aus dem Alltag“, sagt er. Teurer konnte er sich das auch nicht leisten, deshalb hat er sein Abo zunächst gekündigt.
Geplante Preisänderungen für Disney+ Abonnements
Ab November 2023 ist eine weitere Preisänderung für die Disney+ Plattform geplant. Zum Start in Deutschland kostete Disney+ 6,99 Euro pro Monat. Im Februar 2021 wurde der Preis auf 8,99 Euro erhöht. Das werbefreie Standardabonnement wird weiterhin zu diesem Preis (mit geringerer Bildqualität) angeboten. Disney führt jedoch ein werbefinanziertes Abo für 5,99 Euro sowie ein Premium-Abo mit bis zu vier Streams für 11,99 Euro pro Monat ein.
Klarer Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen
Trotzdem hat Lars Dräger an die Verbraucherzentrale Brandenburg noch eine Online-Beschwerde geschickt. Die Verbraucherschützer prüften den Hinweis des Cottbusers und stießen dabei tatsächlich auf eine rechtlich problematische Klausel. „Es ist durchaus zulässig und üblich, dass Anbieter in ihren Nutzungsbedingungen die Möglichkeit haben, bei länger laufenden Verträgen Preise zu verändern. Dies findet sich in einer Vielzahl von Verträgen“, sagt Michèle Scherer. „Dazu gibt es aber klare gesetzliche Grundlagen und eine klare Rechtsprechung, wie Preisanpassungsklauseln formuliert werden müssen“.
In dem angegriffenen Fall stand es in den Nutzungsbedingungen geschrieben, dass die Preise mit Wirkung zum Beginn eines neuen Abozeitraums verändert werden könnten. Dies würde den Nutzern 30 Tage im Voraus mitgeteilt. Es wurde jedoch nicht eindeutig ausgeführt, welche Faktoren zu einer späteren Preiserhöhung führen könnten. Die Verbraucherzentrale Brandenburg sah darin einen klaren Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen.
Die Brandenburger Verbraucherschützer gingen deshalb juristisch gegen den Anbieter vor – nicht um für den Einzelfall von Lars Dräger zu streiten, sondern im Interesse aller Verbraucher. Jetzt hat das Landgericht Potsdam entschieden, dass die umstrittene Klausel geändert und transparenter formuliert werden muss.
Was genau ändert sich durch das Urteil?
Dem Urteil des Landgerichts Potsdam war eine sogenannte Anerkenntnis des Streamingdienstes vorausgegangen. „Er hat unsere Forderung akzeptiert – allerdings erst nach einem Jahr Prozessdauer“, sagt Digitalexpertin Scherer.
Das jetzt in Potsdam ergangene Urteil bedeutet aber weder eine automatische Rückerstattung an die Kunden noch ein Verbot für das Unternehmen, die Preise in Zukunft zu erhöhen. Betroffene Kunden aber hätten auch jetzt noch gute Argumente für eine erfolgreiche Beschwerde, allerdings nur, wenn der Preis vor der Verkündung des Urteils ohne ihre Zustimmung erhöht wurde.
Was Kunden jetzt tun können
„Der Einzelne kann sich direkt an den Anbieter wenden und mitteilen, dass das Gericht festgestellt hat, dass die Klausel über Preiserhöhung unwirksam ist und insofern einer Änderung zugestimmt hätte werden müssen, was man – so weit das zutrifft – nicht getan hat“, beschreibt Michèle Scherer das ein bisschen komplizierte Verfahren. „Dann muss geschaut werden, wie der Anbieter darauf reagiert. Im Zweifel könnten von den einzelnen Verbrauchern dann auch weiter rechtliche Schritte unternommen werden.“
Dazu könnten sich Betroffene auch bei der Verbraucherzentrale Brandenburg beraten lassen. Eine allgemeine telefonische Vertragsberatung von 30 Minuten kostet dort beispielsweise 15 Euro. Alle Tarife der VZB sind hier aufgelistet.
Eine Terminvereinbarung ist erforderlich unter der Rufnummer 0331 98229995 (Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr) oder online unter www.verbraucherzentrale-brandenburg.de/terminbuchung.
Lars Dräger aber muss jetzt nichts unternehmen. Er hatte sein Abonnement zum Zeitpunkt der Preiserhöhung gekündigt und einen anderen Anbieter gefunden, bei dem er Disney+ und andere Streaming-Dienste gleich zusammen mit seinem Internet- und Telefonanbieter zu einem günstigeren Preis beziehen kann.
Netflix-Präzedenzfall
Bereits 2019 hatte das Kammergericht Berlin auf Klage des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (VZBV) entschieden, dass eine Preisanpassungsklausel in den Nutzungsbedingungen von Netflix zwar zulässig sein kann - allerdings nur, wenn konkrete Kostensteigerungen weitergegeben werden und nicht nur, um den Gewinn zu erhöhen.
Im Dezember 2021 erklärte das Landgericht Berlin auf Klage des VZBV diese Preisanpassungsklausel trotz Überarbeitung erneut für nicht genügend klar und verständlich und damit für unzulässig.
Die Stiftung Warentest bietet einen Musterbrief an, mit dem Kunden ihr Geld zurückfordern können.
Netflix hat allerdings gegen das Urteil von 2021 Berufung eingelegt und versichert, bei Preiserhöhungen die Zustimmung der Kunden eingeholt zu haben. Dem VZBV seien bisher keine Rückerstattungen bekannt.