Sie haben wenig überrascht, doch schockierend sind sie trotzdem: Die neuesten Zahlen des Verbands der Ersatzkassen (Vdek) zeigen einen drastischen Kostenanstieg in der Pflege. Im Vergleich zum Vorjahr müssen Pflegebedürftige in Brandenburg für ihren Platz in einer stationären Einrichtung nun durchschnittlich 230 Euro mehr zahlen – pro Monat.
Wer die ersten zwölf Monate im Pflegeheim verbringt, zahlt – ebenfalls im Durchschnitt – 2025 Euro pro Monat. Zur Einordnung: Die Durchschnittsrente in Brandenburg liegt nach Daten des Landesstatistikamts bei 1430 Euro.
Reform gegen hohe Kosten in der Pflege ist verpufft
Paradoxerweise sollte eine Reform, die seit Januar 2022 gilt, die Kosten senken. Pflegekassen beteiligen sich seither an den Eigenanteilen der Bewohner, gestaffelt nach ihrer Aufenthaltsdauer im Pflegeheim. Ab dem vierten Jahr zahlt ein Bewohner knapp 1000 Euro weniger.
Doch da Lebensmittelkosten gestiegen sind und das Personal in der Altenpflege seit September nach Tarif oder tarifähnlich bezahlt werden und die Einrichtungen dies auf die Bewohner zu großen Teilen umlegen, ist der Effekt der Reform quasi verpufft – vor allem für jene, die weniger als zwei Jahre im Pflegeheim wohnen.
Experten gehen davon aus, dass die Kosten schon ab Februar weiter steigen werden, da die Pflegekassen ein neues, übliches Entgeltniveau ermittelt haben. In Brandenburg wurde der durchschnittliche Stundenlohn um 6,6 Prozent angehoben. Nach diesem neuen Wert müssen sich die tarifgebundenen Einrichtungen spätestens ab Februar richten. Auch Häuser mit eigenem Tarif stehen unter Druck, nachzulegen.
Wohngeld Plus steht auch Menschen in Pflegeheimen zu
Derweil müssen sich viele Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Gedanken machen, wie sie die Mehrkosten stemmen können. Sowohl der Sozialverband Deutschland (VdK) als auch die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen (BIVA) empfehlen daher, den Anspruch auf Wohngeld Plus zu überprüfen. Als Teil des Entlastungspakets wurde nicht nur der durchschnittliche Zuschuss auf 370 Euro erhöht, sondern auch der Kreis der Berechtigten erweitert.
Was viele noch nicht wissen: Auch Pflegeheim-Bewohner können Wohngeld beantragen. Allerdings hat dieses Nachrichtenportal in einer jüngsten Recherche herausgefunden, dass die Bearbeitung des Antrags durch die Wohngeldstellen mitunter Monate dauern kann. Was bei Wohngeld Plus in der Pflege zu beachten ist, lesen Sie hier.
Wenn die Pflege nicht mehr ohne Sozialhilfe bezahlbar ist
Wenn jedoch selbst das Wohngeld Plus nicht ausreicht, können Pflegebedürftige beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragen. Dieser Schritt kann für Familien jedoch weitreichende Bedeutung haben. Zwar müssen sich Kinder nach dem Entlastungsgesetz erst ab einem Jahresbruttoeinkommen ab 100.000 Euro an den Pflegekosten ihrer Eltern beteiligen, doch wenn die Eltern das Eigenheim zuvor geschenkt haben, müssen sie unter Umständen ebenfalls zahlen. Ab wann das Sozialamt die Immobilie zurückfordern kann, lesen Sie in diesem Artikel.
Sozialamt gewährt begrenztes Schonvermögen
Für Ehepartner von Pflegebedürftigen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, gilt das Entlastungsgesetz jedoch nicht in dieser Form. Das heißt, eine Ehefrau muss sich an den Pflegekosten ihres Partners beteiligen und dafür gegebenenfalls ihre eigenen Ersparnisse abschmelzen. Seit dem 1. Januar 2023 liegt der gemeinsame Selbstbehalt bei 20.000 Euro. Alles darüber hinaus, auch Ersparnisse in Form von privater Altersvorsorge, müssen dann möglicherweise ausgegeben werden. Zudem müssen Erben, nach einem Todesfall, die Sozialhilfe unter Umständen zurückzahlen. Mehr dazu, lesen Sie hier.
Rufe nach Reform der Pflegekosten
Forderungen nach Reformen, die die Kostenexplosion in der Pflege eindämmen, werden immer energischer. Der VdK fordert beispielsweise, dass die Pflegeversicherung komplett den Anteil der Pflegekosten übernimmt. Wohlfahrtsverbände wie die Caritas setzen sich für den sogenannten Sockel-Spitze-Tausch ein – nach diesem Modell wird die Kostenbeteiligung des Pflegebedürftigen begrenzt.
Der Vdek fordert, dass die Kinderzahl von Pflegebedürftigen bei den Beitragssätzen berücksichtigt werde, die Länder sich an den Investitionskosten übernehmen und sich private Pflegepflichtversicherungen an einem solidarischen Finanzausgleich der Sozialen Pflegeversicherung beteiligen.
Kanzlergespräch in Cottbus
Bundeskanzler Olaf Scholz reist durch alle Bundesländer, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen. Am 7. März wird er sich in Cottbus den Fragen der Brandenburger stellen – 150 Menschen können teilnehmen. Organisiert wird die Talkrunde von der Märkischen Oderzeitung und der Lausitzer Rundschau. Das Bürgergespräch ist themenoffen, also alle Fragen sind erlaubt.
Wer mitmachen möchte, muss über 16 Jahre sein und kann sich über Anmeldeformulare bewerben. Alle weiteren Infos gibt es hier.